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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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nein, vier Leute sind gestern abend zu mir gekommen, alles Studenten von mir. Ich habe sogar ihre Namen hier drüben und die Gliederungen von zwei Semesterarbeiten.« Jacob Handelman ging zu einem mit Papieren übersäten Schreibtisch an der Wand. »Hören Sie auf!« schrie Havelock. »Sie haben sie versteckt, und ich muß sie finden! Das war die Nachricht von Regine Broussac.« »Ich erhalte so viele Nachrichten«, tönte der alte Mann, als sänge er eine Litanei aus dem Talmud. »Hier sind die Namen, die Gliederungen«, fuhr er fort und beugte sich über den Papierstapel. »Wer kann die vielen Namen schon alle behalten?«
    »Sie sollen mir jetzt zuhören! Regine Broussac hätte mir nicht Ihren Namen gegeben und mir verraten, wo ich Sie finden kann, wenn ich nicht die Wahrheit spräche. Ich muß Jenna erreichen! Man hat ihr etwas Schreckliches angetan - uns, und sie durchschaut es nicht!« Handelman zitierte ungerührt aus einer Seminararbeit.
    »Verdammt, wo haben Sie sie hingeschickt? Hören Sie auf, mit mir zu spielen! Sonst zwingen Sie mich ...«
    »Ja?« Handelman drehte im Schein der Stehlampe den Kopf herum und lugte durch die stahlgeränderten Gläser. Er machte ein paar Schritte nach links und legte die Papiere auf den Schreibtisch zurück.
    Und da war es, in diesem Augenblick. Alles war wieder da: die Augen hinter den dünnen Silberrändern, die starre Haltung des weichen Körpers ... seine Art zu gehen. Nicht das majestätische Schreiten eines Prälaten in der Kirche, nein, das Stolzieren eines Mannes in Uniform. Einer schwarzen Uniform!
    Blitze erfüllten Havelocks Augen, und gleichzeitig schoß ein stechender Schmerz durch seinen Kopf. Sein Bewußtsein explodierte ... damals und jetzt, jetzt und damals! Nicht vor acht oder zehn Jahren, sondern viel früher, in den schrecklichen Kriegsjahren! Er war einer von ihnen! Die Bilder, die aus seiner Erinnerung auftauchten, bestätigten es. Er sah den Mann jetzt so vor sich, wie er damals gewesen war. Das breite Gesicht ohne Bart, die langen Haare - nicht weiß, sondern arischblond. Wie er an den Gräben entlangging ... stolzierte!
    Maschinengewehrfeuer! Schreie! Lidice!
    Wie in Trance begann Michael auf den Mann zuzugehen, die Hände gespannt, die Finger zu Klauen gekrümmt.
    »Vos?« Handelman zog das >s< zischend in die Länge. »Was ist denn mit Ihnen? Sind Sie verrückt? Sehen Sie sich doch an ... Kommen Sie mir nicht zu nahe!«
    »Der Rabbi ... O Herrgott, Sie Schweinehund! Sie unglaubliches Schwein! Was waren Sie! Standartenführer? Sturmbannführer? Nein, Obergruppenführer! Sie waren das? Lidice!« Die Augen des alten Mannes weiteten sich, von den dicken Brillengläsern noch vergrößert. »Sie sind verrückt, völlig verrückt! Verlassen Sie mein Haus! Sie sind hier nicht willkommen! Ich habe so viel Schmerz erduldet, daß ich mir nicht noch das Geschrei eines Verrückten anzuhören brauche.«
    Die Singsangstimme, mit der er diese Worte hervorstieß, tarnte seine Bewegungen. Seine rechte Hand schob sich auf den Schreibtisch zu. Havelock sprang vor, als Handelman plötzlich eine Waffe in der Hand hielt. Der Obergruppenführer konnte es sich nie leisten, seine Vergangenheit zu offenbaren. Damals hatte er Tschechen, Polen und Juden ermordet, und nach dem Zusammenbruch hatte er die Identität eines KZ-Insassen angenommen, den er in die Gaskammer geschickt hatte.
    Havelock packte die Hand mit der Waffe so, daß der Finger am Abzug sich nicht bewegen konnte. Er schmetterte sie ein paarmal gegen die Tischkante, aber Handelman ließ nicht los. Der Alte bäumte sich unter ihm auf, klammerte sich an seinem rechten Arm fest, sein Gesicht verzerrt, der häßliche Mund gespannt. Da schoß seine linke Hand in die Höhe und preßte sich auf Michaels Gesicht, ihre Finger bohrten sich in seine Augen.
    Havelock wich zurück; der andere glitt unter ihm weg. Jetzt waren sie nebeneinander an der Schreibtischkante, die Arme bis zum Brechen gebogen. Plötzlich spürte Michael, daß seine rechte Hand frei war; er ballte sie zur Faust und schmetterte sie Handelman ins Gesicht.
    Die Gläser der Stahlbrille zersprangen. Der Deutsche schrie auf, die Waffe fiel klirrend zu Boden, als Handelman beide Hände vors Gesicht hielt.
    Havelock riß den Alten hoch und preßte seine Hand auf den Mund. Seine Augen brannten, Tränen und Blutflecken behinderten seine Sicht. Aber er konnte sehen, der Nazi nicht.
    »Wenn Sie einen Laut von sich geben, alter Mann, töte ich Sie. Und jetzt

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