Das Parsifal-Mosaik
Gummisohlen ausrüsten zu lassen. Jetzt leisteten sie ihm auf der ausgetretenen Treppe gute Dienste; er lief schnell und lautlos hinauf, wobei er mit jedem Schritt zwei oder drei Stufen nahm. In weniger als einer Minute hatte er das dritte Stockwerk erreicht. Das Apartment 3 A lag am Ende des schwach beleuchteten Flurs. Er blieb eine Weile stehen und atmete tief. Dann trat er an die Tür und drückte den kleinen Klingelknopf. Ein weicher Glockenschlag ertönte, und Sekunden später war das Geräusch näherkommender Schritte zu hören. »Ja?« sagte die seltsam hoch klingende Stimme.
»Dr. Jacob Handelman?«
»Wer ist da, bitte?« Jetzt war ganz deutlich der deutsche Akzent zu vernehmen.
»Ich habe Nachrichten vom Quai d'Orsay. Können wir sprechen?« »Vos?« Das Schweigen dauerte nur kurz, und die Worte, die darauf folgten, klangen hastig. »Sie irren sich. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich kenne niemanden im ... wie haben Sie gesagt, Quai d'Orsay?«
»In dem Fall muß ich mit Paris in Verbindung treten und meiner Kontaktperson sagen, daß sie einen schlimmen Fehler begangen hat. Selbstverständlich wird der Name Jacob Handelman im Computerterminal der Katakombe gelöscht werden.«
»Nur eine Minute bitte. Ich muß mein Gedächtnis ein wenig auffrischen.«
Havelock konnte wieder Schritte hören, sie entfernten sich und kehrten zurück, lange bevor die Minute um war. Hinter dem dicken Holz war das metallische Klicken einiger Schlösser zu hören, dann öffnete sich die Tür. Handelman starrte Michael an und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, daß er eintreten solle. Woran lag es, daß er so siche r war, diesen alten Mann mit dem grauen Bart und dem langen weißen Haar zu kennen? Sein breites Gesicht war weich, aber die Augen hinter den dicken Gläsern mit dem dünnen Stahlrand waren ... er fand das richtige Wort nicht. »Sie sind in meinem Haus, Sir«, sagte Handelman und verriegelte die Tür. »Ich bin weit gereist, natürlich nicht immer auf eigenen Wunsch, wie so viele Tausende in meiner Lage. Vielleicht haben wir im Quai d'Orsay einen gemeinsamen Freund, an den ich mich im Augenblick nicht erinnere. Natürlich, ich kenne mehrere Professoren an der Sorbonne.«
War es die hohe Singsangstimme? Oder die fragende, schräge Kopfhaltung? Oder die Art, wie der alte Mann vor ihm stand, die Füße fest in den Boden gestemmt, die Haltung locker und doch irgendwie starr? Nein, es war weder das eine noch das andere, es war alles zusammen ...
»Ihre Formulierung >ein gemeinsamer Freund< trifft es nicht ganz. Sie kennen einen Namen: Regine Broussac, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Abteilung vier. Sie wollte heute mit Ihnen in Verbindung treten; sie ist eine Frau, die ihr Wort zu halten pflegt. Ich glaube, sie hat sich gemeldet.«
»Ah, in meinem Büro liegen Dutzende von Mitteilungen, über die nur meine Sekretärin Bescheid weiß, Mister ...« »Havelock.«
»Ja, Mr. Havellacht. Kommen Sie herein.«
»Ich kannte früher in Berlin einen Habernicht, Friedrich Habernicht. Ganz ähnlich, nein?«
»Ja, ich denke schon.« War es die Art, wie er ging? Nun mußte Michael es wissen. »Wir sind uns schon einmal begegnet, nicht wahr?« »Wir?« Handelman hob die Brauen, rückte sich die Brille zurecht und musterte Michael durch die dicken Linsen. »Ich kann mir nicht vorstellen, wo. Es sei denn, Sie waren als Student in einem meiner Kurse, aber das müßte dann wohl etliche Jahre zurückliegen, würde ic h meinen. In dem Fall würden Sie sich an mich erinnern, aber ich nicht notwendigerweise an Sie. Das Alter und die vielen Studenten, Sie verstehen.«
»Schon gut. Wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten nichts von Regine Broussac gehört?«
»Ganz und gar nicht ... Setzen Sie sich endlich ... Ich sage nur, daß ich es nicht weiß. Sie erzählen mir, diese Broussac hätte mir heute eine Nachricht geschickt, und ich sage, daß ich jeden Tag Dutzende von Nachrichten erhalte, die häufig viele Tage ungesehen liegenbleiben.«
»Ich habe Ihre Stimme schon einmal gehört«, unterbrach ihn Havelock, der sich immer noch nicht gesetzt hatte und den Raum absuchte. Überall waren Bücherregale, alte Möbel. »Jenna Karras!« sagte Michael plötzlich und hob dabei die Stimme. »Noch eine Nachric ht?« fragte Handelman unschuldig.
»Ich muß einmal ein ernstes Wort mit meiner Sekretärin reden. Sie hält zu viel von mir fern.«
»Jenna Karras ist gestern abend zu Ihnen gekommen, das weiß ich.« »Drei ...
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