Das Parsifal-Mosaik
Männer sahen einander an, und keiner sagte ein Wort. Schließlich nickte der Kapitän und fuhr fort. »Aber eines ist gewiß: Wenn sie die Brücke nicht benutzen, müssen sie durch dichten Wald mit seinen vielen steilen Felsen, und vergessen Sie auch den Fluß nicht.«
»Danke. Das ist die Art von Information, wie ich sie brauche. Hat sie Ihnen gesagt, weshalb sie das Land auf diesem Wege verläßt?«
»Das übliche. Die Flughäfen werden bewacht, die Bahnhöfe ebenso und auch die Hauptstraßen, die nach Frankreich führen.« »Von wem bewacht?«
»Von Männern wie Sie, Signore.« »Hat sie das tatsächlich gesagt?«
»Sie brauchte gar nichts weiter zu erzählen, und ich habe nicht weiter gebohrt. Das ist die Wahrheit.« »Ich glaube Ihnen.«
»Würden Sie mir eine Frage beantworten? Wissen es andere?« »Ich bin nicht sicher«, sagte Michael. »Das ist die Wahrheit.« »Wenn es nämlich andere wissen, wird man mich verhaften. Dann komme ich ins Gefängnis.«
»Würde das bedeuten, daß es öffentlich bekannt wird?« »Sicher. Man würde die Sache vor die commissione bringen.« »Dann glaube ich nicht, daß die Sie behelligen werden. Ich kann mir vorstellen, daß die Leute, mit denen ich zu tun habe, nichts weniger wünschen, als daß diese Geschichte publik wird. Wenn man bis jetzt nicht mit Ihnen Verbindung aufgenommen hat -über Funk, mit einem Schnellboot oder mit einem Helikopter -, dann wissen die entweder nichts über Sie oder wollen keinen Kontakt mit Ihnen.« Wieder hielt der Kapitän inne und sah Havelock prüfend an. »Die Männer, mit denen Sie zu tun haben, Signore?« sagte er und betonte jedes Wort. »Avolgere, non includere?« »Ich verstehe nicht.«
»Sie reden von Männern, zu denen Sie nicht gehören. Ist das richtig?«
»Das ist unwichtig.«
»Sie wollen dieser Frau helfen, nicht wahr? Sie sind nicht hinter ihr her, um ... um sie zu bestrafe n.«
»Die Antwort auf die erste Frage ist ja, auf die zweite nein.« »Dann will ich es Ihnen sagen. Sie hat mich gefragt, ob ich den Flugplatz in der Nähe von Col des Moulinets kennen würde. Ich habe nie von ihm gehört.«
»Ein Flugplatz?« Michael begriff. »Eine Brücke über einen Bergfluß und ein Flugplatz. Heute nacht.«
Die Paßstraße, die von Monesi zur französischen Grenze führte, war zwar breit genug, aber die vielen Felsbrocken und die überhängenden Büsche am Rand ließen sie recht schmal erscheinen, eher für geländegängige Jeeps geeignet als für normale PKW. Mit diesem Vorwand machte Michael dem Taxifahrer aus Monesi klar, warum er die letzten achthundert Meter zu Fuß zurücklegen wollte, worüber sein Chauffeur sichtlich erleichtert war.
Michael hatte erfahren, daß es unmittelbar vor der Brücke einen Berggasthof gab, eine Art Wasserstelle für die italienischen und französischen Zöllner. Beiderseits der Grenze verstanden die wenigen Bewohner sowohl Italienisch als auch Französisch. Was auch auf die kleinen Garnisonen beider Nationen zutraf, die in diesem Grenzabschnitt stationiert waren. Aus dem wenigen, was Havelock gesehen und erfahren hatte, war zu erkennen, daß der Kapitän der Santa Teresa die Ortsverhältnisse zutreffend beschrieben hatte. Die Grenzstadt Col des Moulinets lag schwer zugänglich an einem unbedeutenden Paß. Seit Jahrzehnten schon war der Übergang eigentlich überflüssig; die Bürokratie hatte sich bisher nicht dazu durchringen können, die Grenzstation abzuschaffen. Der Hauptverkehr zwischen beiden Ländern floß entweder über die breiten Küstenstraßen zwanzig Kilometer weiter südlich oder benutzte die größeren, bequemeren Pässe im Norden, wie den Col de Lärche oder den Col de la Madeleine westlich von Turin. Unter Schmugglern und anderen illegalen Grenzgängern war der Col des Moulinets besonders beliebt. Seine Abgelegenheit und die Gleichgültigkeit der Zöllner boten die Garantie für ungestörte Passagen.
Die Nachmittagssonne leuchtete in dunklem Orange und Gelb wie ein aufgespannter Fächer hinter den Bergen und erfüllte den Himmel mit langsam verblassendem Licht. Die Schatten auf der Straße wurden länger; in wenigen Minuten würden ihre scharfen Konturen im diffusen Grau der einbrechenden Dunkelheit zerfließen. Michael ging am Waldrand entlang, bereit, jederzeit ins Unterholz zu springen, sobald er ein Geräusch hörte. Er wußte, daß er bei jedem seiner Schritte gewahr sein mußte, daß Rom vom Col des Moulinets als Grenzübergang der Karras erfahren hatte. Er hatte
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