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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Treppe eigentlich lieber nicht hinaufsteigen wollte. Sie wollte sich nicht in dem verwirrenden Irrgarten aus Holografien und Spiegelbildern verlieren. Doch am allerwenigsten wollte sie John Doe begegnen, seine verschiedenfarbigen Augen auf sich gerichtet und das eigenartig anzügliche Lächeln sehen, das von seinem gestutzten Bart umrahmt wurde. Nicht hier. Nicht allein.
    Sie hielt sich am Geländer fest. Sie wissen ja, was beim letzten Mal passiert ist, hatte sie zu Allocco gesagt. Sie waren aggressiv und reaktiv vorgegangen. Es hatte sie einen Wachmann und eine Menge verletzter Besucher gekostet. Und es war ihre Schuld gewesen. Vielleicht hatte John Doe nicht gelogen, als er gesagt hatte, sie solle ihm die Disc überbringen, damit es nicht zu weiteren Zwischenfällen kam. Vielleicht hatte er die Wahrheit gesagt. Aber es spielte keine Rolle mehr. Nach dem, was in der »Galaktischen Reise« passiert war, war nun sie in der Pflicht. Sie, kein anderer.
    Sarah richtete sich auf, schob das Kinn vor, ging mit festen Schritten die Treppe hinauf, packte den Knauf der Tür und zog sie auf.
    Hinter der Tür breitete sich ein großer, in edwardianischer Üppigkeit ausgestatteter Raum aus. Gemusterte Tapeten bedeckten die Wände, riesige Strudel aus scharlachrotem Paisley stiegen zur Decke hinauf. Verzierte Gaslampen in geschliffenen Glasschalen ragten zwischen goldgerahmten Ölgemälden aus der Wand und tauchten den Raum in mildes Licht. Der Boden war ein Parkettmosaik aus bunten Edelhölzern und stellte ein kompliziertes spiralförmiges Labyrinth dar. Dies war der Vorshowbereich des »Holokabinetts«.
    Normalerweise wimmelte er von aufgekratzten, schwatzenden Besuchern, die darauf warteten, dass kostümierte Mitarbeiter sie der Reihe nach in den Saal ließen. Nun war alles still und leer. Lange, kahle Schatten fielen über den Boden.
    Die Ecken des großen Raumes verschwanden in der Dunkelheit.
    Sarah machte einen Schritt vorwärts. Die Tür zur Treppe schloss sich leise hinter ihr. Ihre Schritte hallten auf dem Holzboden wider. Sie blieb stehen und lauschte. Sie hörte das Zischen der Gaslaternen und das Ticken eines halben Dutzends StandUhr en, die an den Wänden des Vorraums standen. Links machte sie hinter der geschlossenen Eingangstür schwach die Geräusche des Parks aus: Gelächter, Fetzen von Liedern. Rechts, wo ihr der Eingang zum Labyrinth entgegengähnte, war nur Stille. Irgendwo dort drinnen wartete John Doe auf sie.
    Sarah wusste, dass sie zum Eingang gehen, ihn mit festen Schritten überschreiten und ihre Ankunft melden sollte.
    Und doch schien irgendetwas in der lauschenden Stille ihre besten Absichten zu vereiteln und ihren Willen zu lahmen. Noch nie in ihrem Erwachsenendasein hatte Sarah sich gestattet, irgendjemanden oder irgendetwas zu fürchten. Doch als sie nun allein in dem lauernden Saal stand, war der metallische Geschmack in ihrem Mund unmissverständlich.
    Sie atmete tief durch, dann noch einmal. Jetzt erst ging sie leise zu dem offenen Türrahmen und umklammerte das Funkgerät mit fester Hand. Sie hatte es ziemlich beiläufig an sich genommen, ohne darüber nachzudenken; nun erschien es ihr wie eine Art Rettungsleine.
    Keine Hinhaltemanöver mehr. Sie trat über die Schwelle, ließ den Türrahmen hinter sich und drang in den Saal vor.
    Er war raffiniert beleuchtet, aber nicht dunkel. Statt der Gaslaternen des Vorraums gab es hier eine verborgene indirekte Beleuchtung, die dem vor ihr liegenden Gang einen weichen Brennpunkt verlieh. Die Wände waren mit großen, in dunkles Holz gerahmten Spiegelflächen bedeckt. Als Sarah vortrat, sah sie, dass ihr Spiegelbild ihr auf beiden Seiten folgte.
    Dass der erste Saalabschnitt gänzlich aus Spiegeln bestand, war ihr bekannt. Aber sie wusste auch, dass in Rahmenteilen und hinter Einwegspiegeln versteckte Kameras ihr Bild abtasteten und an die Rechner in der Bildverarbeitung sandten, die es verarbeiteten, eine Reihe komplizierter digitaler Konvertierungen vornahmen und das Ergebnis an die holografischen Wiedergabegeräte schickten, die es in andere Teile des Saals projizierten. Sensoren an der Decke registrierten ihr Näherkommen, legten fest, wo die soeben entstandenen Hologramme gezeigt wurden, und gaben ihre Bewegungen sogar in Echtzeit wieder, wenn sie auf sie zuging. Je tiefer man in den Saal eindrang, desto weniger wusste man, was man zu sehen bekam: ein Bild in einem Spiegel oder ein Hologramm von sich selbst oder einem anderen Besucher.
    Es war ein

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