Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
Vom Netzwerk:
um. Der Raum war - Gott sei Dank - groß, aber dunkel, so dunkel. Grüne Garnituren, weiße Schwesternschürzen und Kittel in verschiedenen Größen hingen an Kleiderstangen oder lagen auf zahllosen hölzernen Regalbrettern. Der hintere Teil des Raums wurde von einer riesigen Röhre aus Metall und Kunststoff eingenommen, die waagerecht von einer Wand zur anderen führte. Kleinere Rohre verliefen wie Adern auf ihrer Oberfläche. Die Hauptröhre hatte zwei große Luken mit Messinggriffen. Das Hochdruckwäscheleitsystem schlängelte sich durch die Unterwelt Utopias. Tagsüber, hauptsächlich aber nach dem Ende der beiden Hauptschichten wurden über Hunderte von Luken mit pneumatischem Druck Kostüme, Uniformen, Handtücher, Servietten, Tischdecken und Bettlaken zur Zentralwäscherei in der C-Ebene transportiert.
    Terri hörte, dass das System auch jetzt arbeitete. Sie vernahm ein feines, hohles Trommeln, das in dem dicken Rohr Echos und Pfeiftöne erzeugte.
    Sie atmete schnell und abgehackt. Die dunklen Wände schienen sich ihr zu nähern. Sie bekämpfte ihre Panik. Sie beugte sich über den Rollstuhl und richtete das Laken und das Kissen. Dann ging sie zur Tür zurück, öffnete sie einen Spalt und lugte hinaus.
    Am Empfang stand ein Mann. Er war mittelgroß und muskulös. Selbst aus der Ferne wirkten seine Augen irgendwie exotisch. Er trug einen dunkelblauen Overall, unterhielt sich mit der Oberschwester und schaute sich dabei langsam um, als nähme er die Umgebung nur beiläufig wahr. Als es so aussah, als falle sein Blick auf die Wäschekammertür, wich Terri zurück. Dann beugte sie sich wieder vor und spitzte die Ohren.
    »Ich möchte eine Patientin besuchen«, sagte der Mann gerade. Sein Akzent war fast so exotisch wie der Schnitt seiner Augen.
    »Wie ist ihr Name?« Die Schwester schaute mit geneigtem Kopf auf einen Computerbildschirm.
    »Georgia Warne.«
    Terri spürte, dass sie den Türknauf heftiger umfasste.
    »Und wer sind Sie, bitte?«, fragte die Schwester, ohne den Blick zu heben.
    »Ich bin Mr. Warne. Ihr Vater.«
    »Ah, ja.« Die Schwester betrachtete eine Tabelle. »Sie liegt in... Nein, ich muss mich korrigieren. Sie wurde wohl verlegt. Sie finden sie in Erholungsnische 34. Links den Gang runter. Hinter den geschlossenen Vorhängen, Mr. Warne.«
    Doktor Warne!, hätte Terri am liebsten geschrieen. Doktor, nicht Mister! Aber die Schwester war schon wieder auf Trab und verschwand in entgegengesetzter Richtung. Der Mann passierte den Empfang und durchquerte den Korridor. Als er vollständig in Terris Blickfeld war, sah sie durch den Türspalt, dass er eine riesige Sporttasche mit sich führte. Sie schillerte im fluoreszierenden Licht wie Silber.
    Der gesunde Menschenverstand schrie ihr förmlich zu, sie solle sich verdünnisieren. Doch Terri merkte, dass sie nicht fähig war, sich von dem Türrahmen und dem vertikalen Lichtschlitz zu entfernen und sich in die finstere, einhüllende, erstickende Wäschekammer zurückzuziehen. Jesus, Maria und Josef, beschützt mich vor dem Bösen! Jesus, Maria und Josef, beschützt mich vor dem Bösen! Sie hatte seit der Klosterschule nicht mehr gebetet, doch nun ertappte sie sich dabei, dass sie stumm die altvertrauten tröstenden Worte sprach: Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
    Hinter ihr im Rollstuhl rührte sich Georgia. Der Mann kam näher.
    0 Gott, es tut mir von ganzem Herzen Leid, dass ich dich gekränkt habe. Ich verabscheue all meine Sünden, denn ich fürchte den Verlust des Himmels und die Schmerzen der Hölle, aber hauptsächlich bereue ich sie, weil sie dich kränken. Der Mann kam näher.
     
    16:00 Uhr
    Vor »Professor Cripplewoods Kammer der fantastischen Illusionen« spiegelte sich das Licht der Gaslaternen unruhig auf dem feuchten Straßenpflaster. Die wartenden Besucher hatten sich mit Eintrittskarten in der Hand zerstreut, die ihnen für Punkt 16.30 Uhr den Zutritt garantierten. Vor dem aus Ziegeln gemauerten prächtigen Eingang war eine dicke dunkelrote Kordel gespannt. In der nächsten halben Stunde galt für das »Holokabinett«: Zutritt verboten.
    Vier Meter unter der Straße, in den niedrigen Räumlichkeiten der Bildverarbeitung, rieb sich Sarah Boatwright die Arme, denn hier war es unglaublicherweise noch kälter als in ihrem Büro. Ihr Blick wanderte über einen Wald von riesigen Displaysystemen und Kontrollgehäusen. Sie waren ausnahmslos mit roten Identifikationsetiketten

Weitere Kostenlose Bücher