Das Patent
Problemchen an der Atlantisbaustelle.
Der übliche Kram.« Sarahs grüne Augen musterten zuerst Warne, dann Georgia, dann wieder ihn. »Du wir´st dich zu deiner Besprechung mit Terri verspäten. Habt ihr euch verlaufen?«
»Ja«, sagte Warne.
»Nein«, sagte Georgia im gleichen Moment.
»Eigentlich seid ihr nicht weit von ihr weg. Terris Labor liegt gleich um die Ecke.« Sarah schaute erneut Georgia an. Sie zögerte. »Wollt ihr einen Moment reinkommen?«, fragte sie dann.
Ihr Büro war riesig, gut ausgestattet und sogar für die Unterwelt Utopias ungewöhnlich kalt. Nach den hell erleuchteten Gängen wirkte es gedämpft, fast düster. Sarahs Schreibtisch war bis auf ein paar Schnellhefter, ein Computerterminal und eine riesige Teetasse leer. Wie üblich stand nichts am falschen Platz. Sogar die Bilder an den Wänden - ein Foto Eric Nightingales, der den Arm um Sarah legte; ein Foto der »Swope«, des achtzehn Meter langen Bootes, mit dem sie am Newport-Bermuda-Rennen teilgenommen hatte - waren sorgfältig ausgerichtet.
»Sehr hübsch«, sagte Warne nickend. »Du hast es ganz schön weit gebracht. Vielleicht leih ich mir mal den Schlüssel zur Managertoilette von dir aus.«
»Utopia war gut zu mir.«
»Das sehe ich.«
Eine unbehagliche Stille breitete sich aus, als sei zwischen ihnen etwas, das noch der Erledigung harrte. Warne fragte sich vage, ob er sich für seinen Ausbruch bei der morgendlichen Besprechung entschuldigen solle. Doch so schnell ihm der Gedanke kam, so schnell wurde ihm auch klar, dass ihm überhaupt nicht daran gelegen war - mochte er nun im Recht oder im Unrecht sein.
»Ich hab von der Sache mit Scylla gehört«, sagte Sarah. »Ich bin froh, dass du nicht verletzt bist.«
»Falls man es so nennen kann.« Warne rieb sein Handgelenk.
Ich lasse Scyllas Hirn zur Analyse in Terris Computerraum bringen. Sarah sprach es zwar nicht aus - es war unnötig -, aber die Folgerung hing in der Luft.
Warne schaute zu Georgia hinüber. Sie hatte an Sarahs Konferenztisch Platz genommen und blätterte in einem überdimensionalen Bildband mit dem Titel »Utopia- Porträts«.
»Sarah«, sagte er etwas leiser und trat näher an sie heran.
»Das Metanet ist nicht dafür verantwortlich. Es kann nicht dafür verantwortlich sein. Während der Entwicklung war´st du an der Carnegie-Mellon. Du weißt, was es kann. Die Neuprogrammierung von Robotern ist einfach kein Bestandteil seiner Verhaltensmöglichkeiten.«
»Woher will´st du so genau wissen, was es kann? Das Metanet ist ein lernfähiges, spezialisiertes System. Du hast es konstruiert, damit es sich ebenso weiterentwickelt wie die Roboter und sich an Veränderungen anpasst.«
»Aber du tust so, als ginge es um so was wie eine bösartige Software. Die Holding hätte die Installation doch nie genehmigt, wenn das Programm den Betatest nicht bestanden hätte. Es ist vor der Produktionsphase sechs Monate lang fehlerlos gelaufen. Oder?«
»Aber jetzt läuft es seit sechs Monaten in einer sich fortwährend verändernden Umgebung. Vielleicht hat es sich so modifiziert, dass es sich unserer Überwachung entzieht, weil wir nicht darauf vorbereitet waren. Das ist jedenfalls Fred Barksdales Theorie. Und er muss es ja wissen.«
»Aber...« Warne musste sich mit Mühe zurückhalten. Es brachte nichts, mit ihr zu streiten. Er musste sich die Diskussion für Teresa Bonifacio aufsparen. Er seufzte, dann schüttelte er den Kopf. »Fred Barksdale«, wiederholte er.
»Sag mal, ist es ernst mit euch beiden? Oder ist es nur eine Sache, die den Sommer nicht übersteht?«
Sarah schaute ihn verdutzt an. Warne setzte ein Lächeln auf.
»Ist es so offensichtlich?«, fragte sie kurz darauf.
»Eine Neonreklame könnte es nicht heller verkünden.«
Sarah lächelte gequält. »Fred ist ein netter Kerl.«
»Hätte nicht gedacht, dass er dein Typ ist. Weil er wie ein typischer Oberklassenbrite aussieht, meine ich. Er wirkt so... Ich weiß nicht. Jagdklub, Gin trinkend, gebügelte Ausgabe der >Times<. So was in der Art.«
»Er ist der kultivierteste Mensch, dem ich je begegnet bin.
Vermutlich bin ich einfach zu oft mit Naturwissenschaftlern ausgegangen. Womit ich niemanden beleidigen will.«
»Fühl mich nicht angesprochen.« Trotzdem spürte Warne, dass das Lächeln auf seinem Gesicht leicht einfror.
Er sah nun, dass Sarah an ihm vorbeischaute, und warf einen Blick nach hinten. Georgia hatte das Buch hingelegt und verfolgte ihr Tete-a-tete mit missbilligender Miene.
Sarah
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