Das Patent
Neuankömmling, um mit ihm zu sprechen.
Warne beobachtete sie kurz. Dann fiel sein Blick auf seine Tochter, die auf dem Boden kniete und dem Roboter etwas zumurmelte. Er schaute sich erneut im Büro um und sein Blick fiel auf das »Swope«-Foto. Damals war es ihm wie ein gutes Omen erschienen. Seine Frau Charlotte hatte Segelboote gebaut; Sarah steuerte welche. Er hatte nicht erkannt, dass Georgia auf diese Übereinstimmung genau gegenteilig reagierte. Und noch etwas: Seine Frau hatte Segelboote rein um ihrer selbst willen geliebt. Je besser er Sarah kennen gelernt hatte, umso klarer war ihm geworden, dass ihr Interesse am Segeln in erster Linie dazu diente, sich einer Herausforderung zu stellen.
Wieder musterte er seine Tochter. Georgia war die einzige Herausforderung gewesen, die Sarah nicht gemeistert hatte.
Er dachte an das schwerfällige Zwischenspiel im Konferenzraum - Sarahs Begegnung mit Georgia. Sie hatte Georgia nicht spontan umarmt; sie hatte nur deutliche Zuneigung gezeigt, doch ziemlich vage und formell. Es war fast so, als »könne« Sarah nicht mit Kindern. Sie hatte sich zwar Mühe gegeben - doch auf eine Weise wie gerade eben: mit Flügelmutter. Warne wusste, dass sie damit nie Erfolg haben würde. Sarah war ein höchst logischer Mensch. Doch der ständige Einsatz von Logik funktionierte bei Kindern nicht.
Kinder würden Sarahs Pläne stets durcheinander bringen und das Gegenteil von dem tun, was sie erwartete.
Das Telefon auf Sarahs Schreibtisch fing plötzlich an zu klingeln. Warne musterte es kurz und schaute dann auf die Uhr. »Wir sollten lieber gehen«, sagte er. »Tut mir Leid. Wo ist noch mal Teresas Labor?«
»Im zweiten Gang rechts, dritte Tür links.« Sarah entließ den Mann an der Tür und kehrte an ihren Schreibtisch zurück.
»Noch ein Wort über Teresa, Andrew. Sie ist keine typische Utopia-Angestellte.«
»Wie das?«
»Sie hat natürlich was auf dem Kasten, und was Roboterprogrammierung angeht, ist sie unschlagbar. Aber sie ist unkonventionell. Es war ziemlich schwierig, ihr den Geist Utopias zu vermitteln.«
»Du meinst, sie ist launisch? Renitent?«
»Sagen wir mal, sie schwimmt gegen den Strom. Vor ein paar Monaten hat sie zum Beispiel einen Postzustellungsroboter so programmiert, dass er diverse brave Postraumbuben in den Hintern kniff.«
Obwohl sie sehr leise gesprochen hatte, brach Georgia am anderen Ende des Raumes in ein schallendes Gelächter aus.
»Was du nicht sagst!«, erwiderte Warne.
»Außerdem wird sie verdächtigt, ein Aktfoto von Margaret Thatcher, auf dem Fred Barksdale über ihre Schulter linst, in der Damentoilette der Systemverwaltung aufgehängt zu haben. Sie hat seit der Parkeröffnung schon drei Abmahnungen erhalten.« Sarah presste missbilligend die Lippen aufeinander.
»Sie lässt sich wohl keine Gehirnwäsche verpassen, um das Leben lockerer zu sehen, was? Sie ist wohl ein typischer Querulant.«
Sarah öffnete den Mund zu einer Antwort. Dann verharrte sie, denn eine Frau in einem weißen Blazer schob den Kopf in ihr Büro herein.
»Hier geht's ja heute zu wie auf dem Hauptbahnhof«, murmelte Warne.
»Jeden Tag.« Sarah wandte sich der Frau zu. »Ja, Grace?«
»Tut mir Leid, dass ich stören muss, Miss Boatwright, aber Sie haben nicht abgehoben. Ein Herr möchte Sie sprechen.«
»Ein Herr?«
»Ein Experte von außerhalb. Sagt, Sie hätten ihn zu einem Gespräch gebeten.«
»Ich erinnere mich an keinen Termin.« Sarah kehrte an den Schreibtisch zurück, machte eine Tastatureingabe und schaute auf den Monitor. »Na schön. Bitten Sie ihn, noch einen Moment zu warten.«
Sie zog etwas aus einer Schublade, umrundete den Schreibtisch und händigte es Warne aus. »Das ist Flügelmutters Echoorter. Jetzt höre ich mir aber lieber an, was der Experte will.«
»Danke.« Warne befestigte das Ortungsgerät an seinem Handgelenk.
»Morgen früh bin ich weg. Falls wir uns heute nicht mehr sehen - viel Glück! Ich hoffe, du bringst alles wieder auf die Reihe.«
Warne lächelte frostig.
»Fred wird alles tun, um dir zu helfen. Vergiss nicht: Nichts ist von Bestand. Mit etwas Glück wir´st du den Fehler korrigieren. Dann können wir New York um einen Neustart bitten.« Sie drehte sich um. »Leb wohl, Georgia! War nett, dich wiederzusehen. Ich wünsche dir alles Gute.«
»Danke.« Georgia stand auf.
Warne nickte Sarah zu, dann ging er mit Georgia zur Tür hinaus. Auf dem Korridor wartete die Frau im weißen Blazer bei einem großen schlanken Mann
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