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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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urplötzlich inne. Funken sprühten aus den Wandlern des Roboters. Seine Sensorreihen sackten zusammen. Das Motorengeheul verstummte. Die Zangen klafften auseinander und ließen Warne frei. Er fiel schwer zu Boden, dann stand er zwischen den Eiskremschalen auf und rieb sein schmerzendes Gelenk. Georgia eilte zu ihm, und sie wichen gemeinsam von dem qualmenden, geschwärzten Roboter zurück.
    Eine Menschenmenge hatte sich versammelt und den Ablauf der Ereignisse aus respektvoller Entfernung beobachtet. Warne schaute schwer atmend über die Zuschauer hinweg. Schokoladen- und Vanilleeis tröpfelte an ihm herab. Er massierte noch immer sein Handgelenk. Georgia stand neben ihm. Der Schreck hatte sie verstummen lassen.
    Eine Weile sagte niemand etwas. Dann vernahm Warne einen leisen, anerkennenden Pfiff.
    »Tolle Schau, Mann!«, sagte jemand. »Für einen Augenblick hab ich wirklich geglaubt, die Sache wäre echt.«
    »Das war aber ziemlich übertrieben!«, rief ein anderer. Dann fingen die Leute an zu klatschen: zuerst vereinzelt, dann immer mehr, bis die Luft von lautem Jubel erfüllt war.
     
    12:45 Uhr
    Als die Sonne am Himmel von Nevada höher stieg, verlor die darunter liegende Landschaft jegliche Farbe. Das Rot, Gelb, Braun und Violett der Sandsteinschluchten verblasste und wurde weiß. Die Vegetation der Hochwüste ragte in die Höhe und warf doch keinen Schatten.
    Auf dem felsigen, schüsselartigen Steilabbruch, der Utopia umgab, beschien die Sonne eine riesige Mondlandschaft aus Senken und Graten. Der Mesagipfel war eine Flickendecke aus stummen und verlassenen Rinnen, die da und dort von vereinzelt wachsendem Wacholder und struppigen Fichten unterbrochen wurde. Der Himmel selbst war eine blassblaue Kuppel und bis auf ein einsames Flugzeug leer, das in zehntausend Meter Höhe eine weiße Linie zeichnete.
    In einer schmalen Rinne vor dem Rand des Steilabbruchs rührte sich etwas. Der Mann, der sich bis zum Morgengrauen kaum bewegt hatte, streckte nun die Beine aus und schaute auf seine Armbanduhr. Trotz der brutalen Hitze hatte er gedöst. Er hatte den größten Teil seines beruflichen Lebens mit Warten zugebracht. Er hatte stunden- und manchmal tagelang gewartet - unter den Dschungelbaldachinen von Mosambik und in den fauligen Sümpfen Kambodschas, umgeben von Blutegeln und Malaria hervorrufenden Moskitos.
    Im Vergleich dazu erschien ihm die Wüstenhitze Nevadas wie ein Urlaub.
    Der Mann gähnte träge, ließ seine Knöchel knacken und drehte den Kopf, um eine Zerrung aus seinem mit kräftigen Muskeln bestückten Hals zu vertreiben. Hinter ihm ragte die Utopia überwölbende geodätische Kuppel wie die Schädeldecke eines Riesen aus der Schlucht auf. Endlose Reihen von Stahlrippen und Glasplatten zwinkerten und schillerten in der Mittagssonne. Die Kuppel wurde von mehreren schmalen Laufstegen umzogen. Sie lagen in Abständen von etwa fünfzehn Metern übereinander und waren mit Leitern verbunden. Ein Teil der Kuppeldecke, ein riesiges sichelförmiges Segment, war finster: das Dach über Callisto. Aus der Nähe und einer Höhe betrachtet, die kein Tourist je genießen würde, wirkte die Kuppel in ihrer massiven Schönheit fast überirdisch.
    Doch der Mann auf der Mesa war kein Tourist. Er war nicht wegen der Aussicht hier.
    Er fischte nach einer langen, flachen Leinensporttasche, die neben ihm in der Rinne lag, zog den Reißverschluss auf, griff hinein, nahm eine Feldflasche heraus und trank durstig einen großen Schluck. Obwohl es auf der kahlen Bergspitze weder Wachtposten noch Überwachungskameras gab, blieben seine Bewegungen gewohnheitsmäßig sparsam und direkt.
    Er stellte die Feldflasche hin und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. An seinem Hals baumelte ein großes Fernglas, das er nun an die Augen hob. Der Laserentfernungsmesser machte das Glas schwer, deswegen benützte er beide Hände, um es zu halten und langsam die Umgebung abzusuchen.
    Von seinem Versteck aus hatte er eine ausgezeichnete Aussicht auf die Rückseite Utopias. Tief unter sich konnte er deutlich den stark befahrenen Zufahrtsweg sehen, der sich durch die Wüste schlängelte. Ein großer Kühllaster fuhr gerade eine Anhöhe hinauf. Der Mann beobachtete den Fahrer, der sich stumm durch die Gänge arbeitete. Es war ein guter Erkundungsposten: Von hier aus konnte man jedes flüchtende Fahrzeug und jede im Anmarsch befindliche Kavallerie sofort erkennen. Der Mann hob das Fernglas höher. Die roten Ziffern der Entfernungsanzeige

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