Das Patent
nahmen die Schemen auf der linken Seite Gestalt an: Allocco, Peggy Salazar, sie selbst. Sarah zwang sich hinzusehen, als die keine halbe Stunde alte Szene erneut vor ihr ablief. Freddy marschierte mit der Kassette im Jackett ins Bild. Ein kleines Drama entfaltete sich, als er und Allocco ihre Standpunkte vertraten. Sarah fasste ihren Beschluss. Chris Green, der Wachmann, verschwand durch die Tür im Inneren des Fahrgeschäfts. Sarah beobachtete sich, als sie Fred Barksdale beiseite nahm, um ihm zu erläutern, wie klug es war, einen vorbeugenden Schlag gegen John Doe zu führen.
Um ihm zu erläutern, warum sie, denn so sah das Ergebnis nun mal aus, einen Menschen zum Tode verurteilte.
Sie legten die Kassette in den Wagen, ließen ihn abfahren und verschwanden vom Bildschirm, um in den Kontrollraum zu gehen.
»Feierabend«, sagte Allocco zu Peccam. Der Monitor leerte sich. »Das war´s. Wir haben alle fünf Kameras überprüft.
Nichts.«
Stille senkte sich über den dunklen kleinen Raum.
Endlich ergriff Allocco das Wort. »Chris Green war immer einer, der sich nicht kleinkriegen ließ«, sagte er langsam.
»Alles, was wir noch für ihn tun können, ist, rauszukriegen, was da passiert ist, verdammt.« Er drehte sich mit einem Seufzer zu Peccam um. »Ralph, zeig uns noch mal die Aufnahmen der letzten Kamera! Die leeren Wagen, wenn sie reinfahren.«
Peccam holte die Aufzeichnung aus dem Vorshowbereich erneut auf den Schirm. Sarah sah noch einmal, wie Allocco das Päckchen in den leeren Wagen legte. Der Wagen zockelte an der Stromschiene entlang los und verschwand im Dunkel der ersten Kurve außer Sicht.
»Es passt nicht zusammen«, murmelte Allocco vor sich hin. »Der Krebsnebel liegt tief im Inneren. Doe müsste sich zur Übernahme dort aufgehalten haben. Aber Chris war am Eingang stationiert. Warum sollte er ihm dort begegnet sein?«
Die Frage hing unbeantwortet in der Luft. Die Augen aller Anwesenden waren auf den Bildschirm gerichtet.
»Halt!«, bellte Allocco plötzlich. »Okay. Fünfzehn weiter.«
Er deutete auf den Monitor. »Seht euch das an!«
Sarah erblickte den Mann von der Wartung, der ihr beiläufig aufgefallen war. Er trat aus dem Seitenportal und schlenderte in Zeitlupe durch den Vor showbereich. Das taube Gefühl, das sie bisher wie ein Mantel umhüllt hatte, fiel schlagartig von ihr ab.
Der Mann trug einen klobigen Helm und den vorschriftsmäßigen Raumanzug, deswegen konnte man sich unmöglich sicher sein - aber sie wusste trotzdem irgendwie instinktiv, dass sie John Doe vor sich hatte.
Der Gesichtsausdruck der anderen machte ihr klar, dass sie zum gleichen Schluss gekommen waren.
»Scheiße«, sagte Allocco. »Die neunzig Sekunden Aufenthalt waren nur ein Bluff. Doe hat gar nicht an der Krebsnebelkurve gewartet. Er wollte sich die Scheibe aus dem Gefährt krallen, sobald es eingefahren war - und verschwinden, bevor das verdammte Ding anhielt. Aber da ist ihm Chris Green in die Quere gekommen.«
»Soll ich seine Spur aufnehmen?«, fragte Peccam.
»Nein. Ich meine, ja. Wann immer du will´st, aber nicht jetzt.
Daran hat er zweifellos auch was gedreht.« Alloccos Blick fiel auf Sarah. »Ich setz mal den Kostümfundus an die Sache. Die sollen mal Inventur machen. Um zu sehen, ob irgendwelche Raumfahrerklamotten fehlen.«
Sarah nickte. Sie wusste schon jetzt, wie das Ergebnis aussehen würde.
Ein leises Summen kam von dem Funkgerät in ihrer Tasche.
Im Kontrollraum wurde es still. Alle schauten Sarah an, die das Funkgerät nun herausholte.
Sie schaltete es ein und hob es langsam an den Mund. »Hier ist Sarah Boatwright.« Es waren die ersten Worte, die sie seit dem Betreten des Bienenstocks sprach.
»Sarah?«
»Ja.«
»Warum, Sarah?« Sie hörte die Stimme John Does, doch nun klang sie irgendwie anders. Sein ironisch-höflicher Tonfall war verschwunden. Er klang nun kälter, geschäftsmäßiger.
»Warum was?«
»Warum haben Sie mir eine Falle gestellt?«
Sarah rang nach Worten.
»War ich nicht aufrichtig zu Ihnen, Sarah? War nicht Ehrlichkeit die Grundlage unseres ganzen Geschäfts?«
»Mr. Doe, ich...«
»Habe ich mir nicht die Zeit genommen, Sie persönlich aufzusuchen, um Ihre Bekanntschaft zu machen? Habe ich nicht genauestens artikuliert, was Sie tun und was Sie nicht tun dürfen?«
»Doch.«
»Habe ich mir nicht die Mühe gemacht, Ihnen eine Demonstration zu liefern? Habe ich nicht jede erdenkliche Anstrengung unternommen, um Ihnen zu versichern, dass Sie, wenn dieser
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