Das Patent
du gegenüberstehst. Wir müssen in erster Linie an die Sicherheit der Besucher denken. Sie bezahlen nicht nur dafür, dass wir sie unterhalten, sondern auch dafür, dass sie hier sicher sind.«
Als Sarah hörte, dass er genau das aussprach, was sie kurz zuvor gedacht hatte, überfielen sie gemischte Gefühle: Irritation, Ungeduld, Unsicherheit. Sie verdrängte sie. »Hör zu, Freddy«, sagte sie mit fester Stimme. »Erinnerst du dich noch an unser erstes Abendessen? Bei Andre, in Las Vegas?«
Barksdales schmales, ansehnliches Gesicht zeigte ihr, dass er verdutzt war. »Natürlich.«
»Erinnerst du dich noch an den Wein?«
Er dachte kurz nach. »Lynch-Bages, 1969.«
»Nein, nein. Den Dessertwein.«
Barksdale nickte. »Chateau d’Yquem.«
»Richtig. Weißt du noch, dass ich vorher gar nicht wusste, dass es Dessertwein gibt? Dass ich glaubte, jeder liebliche Wein schmeckt wie Manischewitz?«
Barksdale gestattete sich ein kurzes kühles Lächeln.
»Du hast mir erklärt, was Botrytis cinerea ist. Weißt du noch?«
Barksdale nickte erneut.
»Edelfäule. Sie greift die Fruchtschale an, veredelt den Zucker, bringt den besten lieblichen Wein der Welt hervor. Ich habe es nicht geglaubt, als du es mir erzählt hast - ein Pilz, den die Winzer tatsächlich kultivieren. Du musstest es mir sogar zweimal erklären.« Sie beugte sich vor, fummelte an seinem Revers. »Freddy, wir haben eine faule Stelle in unserem Park. Hier und jetzt. Aber an ihr ist gar nichts edel. Wenn wir nichts unternehmen... Wenn wir uns selbst als angreifbar hinstellen, wenn wir uns zu einer leichten Beute machen. Wer sagt uns, dass es nicht wieder passiert? Und zwar bald?«
Barksdale schaute sie schweigend an. Seine Kiefer bewegten sich.
Sarah drückte sanft auf sein makelloses Revers. Dann wandte sie sich um und kehrte zu Peggy Salazar und Allocco zurück.
Barksdale schloss sich ihnen kurz darauf an. Gemeinsam näherte sich die Gruppe dem Verladedock. Einer südländisch aussehenden Frau mit Zwillingen wurde gerade ein Gefährt zugewiesen.
Sarah wartete, bis das abgefertigte Wägelchen unterwegs war. »Lassen Sie zwei Wagen leer fahren und stellen Sie einen dritten bereit«, sagte sie zu dem Mann am Einstieg.
Er nickte, sein Gesicht - er war in den mittleren Jahren - wurde von dem Plexiglashelm auf eigenartige Weise vergrößert.
Die beiden Wagen verschwanden wackelnd in der Finsternis, und ein dritter kam heran. Allocco trat vor und beugte sich hinüber, um sich die Nummer zu merken, dann legte er die Schmuckkassette mit der Scheibe auf den Boden.
»Abschicken«, sagte Sarah zum Mann am Verladedock.
Auch dieser Wagen zockelte davon. Sarah beobachtete ihn, bis er hinter einer dunklen Ecke aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
»Schicken Sie jetzt zwei weitere leere Wagen los!«, sagte sie.
Hinter ihr wurde das unzufriedene Gemurmel der Menschen hörbar, die eigentlich an der Reihe gewesen wären. Sarah drehte sich um, schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln und wies den Mann am Einstieg an, den normalen Betrieb wieder aufzunehmen.
Die »Galaktische Reise« dauerte etwas mehr als sechs Minuten. Die leeren Wagen mussten den Krebsnebel in vier Minuten erreichen.
Sarah trat vom Dock zurück und schaute sich im Vorshowbereich um. Irgendwo weinte ein Säugling, dessen Gewimmer das Plappern der Menge übertönte. Aus einem Seitenportal des Fahrgeschäfts kam jemand von der Wartung. Er war wie alle, die in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Bereich arbeiteten, kostümiert: Nur die Farbe der Nachtigallenanstecknadel auf seinem Raumanzug deutete auf seine Funktion hin. Sarahs Blick tastete die Gesichter der Wartenden ab: Die Leute waren entweder aufgeregt, ungeduldig oder gelangweilt. Die Szene wirkte absolut normal. Alles ging seinen gewohnten Gang.
Abgesehen von der Schmuckkassette. Und von dem Mann, der tief im Inneren der »Galaktischen Reise« auf sie wartete.
»Gehen wir zum Kontrollraum«, sagte Allocco.
Sarah wartete noch immer. Ihr Blick schweifte suchend durch den hellen Raum. Dann drehte sie sich zu ihm um und nickte.
Der Kontrollraum der »Galaktischen Reise« war schon für den dort arbeitenden Techniker zu klein: Nun, da sich außer ihm noch drei Besucher dort aufhielten, fiel Sarah schon das Luftholen schwer.
»Wir haben nicht allzu viel Spielraum«, sagte Allocco gerade.
»Der Laden hier ist vollständig computergesteuert. Wir müssen die Stromschiene zeitweilig abschalten.«
Er beugte sich über den Techniker.
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