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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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üben. Beiden Verpflichtungen nachzukommen war unmöglich geworden.
    Dann aber sagte er sich: Rache kennt keinen Kalender. Er konnte also die Mitglieder der Vereinigung zur Verantwortung ziehen, nachdem er in Teotihuacán war.
    Als er den anderen seine Entscheidung mitteilte, stieg die allgemeine Stimmung. Gemeinsam beugte man sich über Chacs Karte, besprach sich mit H’meen, die ihr Buch der Tage konsultierte, man bat Einauge um Rat und den Überbringer von Botschaften um weitere Einzelheiten, um auszurechnen, wie lange sie unterwegs sein würden. Zu guter Letzt stellte Chac zufrieden fest, dass ihm, wenn er auf den Umweg über Mayapán verzichtete, ausreichend Zeit blieb, nach Copán zu ziehen und von dort aus weiter nach Teotihuacán.
    Jetzt galt es, die anderen mit einer weiteren, weitaus schwerwiegenderen Entscheidung zu konfrontieren. Um ihr Vorhaben erfolgreich zu Ende zu bringen, war Chac zu dem Schluss gekommen, dass er und Tonina einmal mehr allein weiterziehen mussten.
    »Tonina und ich sollten mit leichtem Gepäck reisen, um schnell vorwärtszukommen«, verkündete er den Gefährten. »Und das geht nur, wenn alle anderen in Tikal zurückbleiben.«
    Als sie Einspruch erheben wollten, hob er die Hand. »Eine gefährliche Strecke liegt vor uns«, sagte er, »und ich lehne es ab, die Verantwortung für die Sicherheit all dieser Leute zu übernehmen. Ein einziger unangenehmer Zwischenfall genügt, um uns aufzuhalten, und das bedeutet, dass ich nicht rechtzeitig die Schwesternschaft erreichen werde.«
    Er sah H’meen an, die, obgleich erst fünfzehn, mit ihren brüchigen Knochen auf alle Fälle zu schwach war, den Weg fortzusetzen. »Einauge«, sagte er zu dem Zwerg, »du bleibst hier in Tikal und kümmerst dich um die h’meen, bis wir zurück sind.«
    Einauge übernahm diese Aufgabe gern. H’meen war nett zu ihm gewesen und hatte ihm wieder Hoffnungen gemacht.
    Die Gruppe stimmte, wenn auch schweren Herzens, Chacs Plan zu. Es fiel allen schwer, von ihm und Tonina Abschied zu nehmen. Einzig Tonina blieb merkwürdig still. Es behagte ihr ganz und gar nicht, allein mit Chac weitergehen zu müssen.
    Wenn sie ihn doch nur nicht in den See gelockt hätte! Was war bloß in sie gefahren, derart unbekümmert zu handeln, zumal ihr Herz drauf und dran war, sie zu verraten? Ihre Gedanken drehten sich jetzt weniger um Guama und Huracan, die Perleninsel und Tapferen Adler – nicht einmal um die rote Blume –, sondern zunehmend um Chac. Dabei hatte sie ihm lediglich vorführen wollen, welche Freude es war, im Wasser herumzutollen, um ihm zu zeigen, dass er keine Angst zu haben brauchte. Er indes war auf sie zugewatet, und als er seine Hände vertrauensvoll in ihre gelegt hatte, war ihr gewesen, als würde sie von einem Pfeil durchbohrt. Fast hätte sie laut aufgeschrien.
    Und jetzt sollte sie die nächsten Tage, vielleicht gar Monate, nur mit ihm zusammen sein? Eine schreckliche Vorstellung. Möglich, dass ihr empfindsames Herz und dieser geheimnisvolle Mann sie schwach werden und vergessen ließen, weshalb sie in dieses fremde Land gekommen war.
    Aber auch ihr blieb nichts anderes übrig, als Chacs Plan zuzustimmen. Der Perleninsel zuliebe und eingedenk des Versprechens, das sie ihren Großeltern gegeben hatte, musste sie nach Copán, und zwar so schnell wie möglich.
    Bevor die kleine Schar ihr jeweiliges Nachtlager aufsuchte, bat Chac die Freunde, den anderen nichts von dem neuen Plan zu erzählen. »Ich möchte nicht, dass sie uns folgen. Wenn Tonina mit der Blume zurückkommt, werden nicht alle davon profitieren können. Wir brechen morgen auf, sobald wir Vorräte besorgt und einen Führer gefunden haben. Keiner soll wissen, wohin wir gehen und warum.«
    Sich selbst redete er ein, dass er damit die Götter friedfertig stimmen, ihre Gesetze beachten und sich an ihr Gebot halten wollte, Tonina das Leben zu retten. Mochte ihm sein Herz auch zuraunen, dass er es eigentlich ihretwegen tat – er ließ diesen Gedanken einfach nicht zu.

36
    »Geh nicht, Bruder«, beschwor Balám ihn. »Das mit Copán ist ein Märchen. Du weißt doch, dass die Blume an der Küste von Quatemalán wächst. Wie kannst du nur dem Wort eines Wildfremden Glauben schenken?«
    Chac und Tonina waren zum Marktplatz gegangen, um feste Sandalen und dicke Umhänge für die Reise zu erstehen. Balám war dem Freund gefolgt, um ihm klarzumachen, dass es falsch wäre, nach Copán zu gehen.
    Aber Chac ließ sich nicht umstimmen.
    Balám war bemüht, sich

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