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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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allen vier Ecken der Erde, mit gesunden Kindern, schönen Wohnungen und Nahrung in Überfluss. Ich besuche sie regelmäßig reihum, und dazwischen bin ich ein freier Mann. Dass sich mir ein Räuber in den Weg stellt, kommt so gut wie nie vor; ich habe ja nichts, was für sie von Wert ist, außerdem müssen sich selbst Banditen irgendwie untereinander verständigen, nicht wahr? Ist ein schönes Leben.«
    Er nagte das letzte Fleisch vom Halsknochen ab und warf ihn anschließend ins Feuer. »Darf ich fragen, was euch hierher führt?« Er warf einen Blick über das Lager. »Ihr scheint nicht ständig hier zu leben, seid auch ganz verschieden. Alte, Kinder, nicht alle von euch sind Maya … « Nachdenklich sah er Tonina an.
    »Wir sind auf der Suche nach einer Blume«, sagte sie.
    Er stocherte mit einem Zweig in seinen Zähnen herum. »Nach was für einer Blume?«
    »Nach einer, die Heilung bewirkt.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Im Regenwald gibt’s viele Blumen mit heilsamer Wirkung. Wie soll deine denn aussehen?«
    Tonina wollte antworten, aber Chac hob die Hand. Seit Uxmal waren sie manch einem begegnet, der behauptet hatte, er wüsste, wo die rote Blume zu finden sei, und dann diese Information nur gegen Entgelt herausrücken wollte. Vielen falschen Spuren waren sie aufgesessen. »Was für Blumen kennst du denn?«, stellte er die Gegenfrage.
    Der Mann hob an, verschiedene Blüten mit ihrem jeweiligen Standort zu beschreiben. H’meen hörte aufmerksam zu und nickte zustimmend. Jede einzelne war ihr vertraut.
    Jetzt schwieg der Mann, blinzelte ins Feuer und sagte, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte: »Da gibt es, glaube ich, noch eine. Ich habe sie erst einmal gesehen. Scharlachrot ist sie, wie die Federn eines Aras. Aber die Blüte reckt sich nicht der Sonne entgegen, sondern neigt sich dem Boden zu, so … « Er legte seine Handgelenke aneinander, die Finger nach unten gerichtet. »Sie wächst an einem hohen Busch, der nur sehr wenige Blüten aufweist.«
    »Und man findet sie in Quatemalán?«, fragte Tonina aufgeregt.
    »In Quatemalán? Nein.« Er schüttelte seinen dicken Kopf. »Diese Blume wächst nahe bei den Göttern, deshalb verfügt sie ja über magische Kräfte. Hoch in den Bergen, im Gebiet von Copán.« »Wo ist das?«
    »Weit unten im Süden«, mischte Einauge sich ein. »Wo die Berge den Himmel berühren.« Er war nie dort gewesen, hatte aber gehört, dass diese Region tückisch war.
    »Und diese Blume heilt alle Krankheiten?«
    »Wer weiß das schon?« Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie, wie gesagt, erst einmal gesehen. Schön sieht sie aus, gewiss doch. Aber ihre heilenden Eigenschaften habe ich nicht ausprobiert. Ich kenne auch niemanden, der das getan hätte.«
    »Wie weit nach Süden?«, fragte Tonina und schaute Chac an. Der Reisende zog die Nase hoch. »Ihr sagt, ihr kommt aus Uxmal? Die Entfernung von Uxmal bis hierher nach Tikal entspricht der Entfernung von hier nach Copán.«
    »Also nochmals zwanzig Tage«, murmelte Chac.
    »Leider nein, mein Freund, denn die Gegend ist sehr gebirgig und das Vorankommen entsprechend mühsam. Steile Hänge, unzugängliche Pässe, Flüsse, Wasserfälle, seltsame Tiere und wilde Stämme. Zwei Mondmonate braucht ihr mindestens, unter Umständen sogar mehr.«
    »Und die Blume wächst ausschließlich dort?«, fragte Tonina.
    »Die ehrenwerte königliche Pflanzenkundlerin wird bestätigen, dass gewisse Pflanzen nur in bestimmten Klimazonen gedeihen.« Als H’meen nickte, breitete sich eine merkwürdige Stimmung aus. Die Nachricht barg Gutes und Schlechtes. Sie wussten jetzt, wo die Blume wuchs, aber das weiter weg als erwartet und nur durch gefährliches Gebiet hindurch zu erreichen. Tonina ahnte, woran Chac dachte: dass er so schnell wie möglich erst zurück nach Mayapán und dann weiter nach Teotihuacán musste, um rechtzeitig bei der Schwesternschaft das Totenritual abzuhalten. Er konnte also unmöglich weiter nach Süden ziehen, nach Copán.
    Sie wollte ja, dass er Teotihuacán beizeiten erreichte und die Riten für Palumas Seele vollzog.
    Derweil die Gefährten versuchten, sich mit den neu aufgetauchten Schwierigkeiten abzufinden – warum gefiel es den Göttern, gute Nachrichten immer mit schlechten zu paaren? –, starrte Chac, sich das Kinn reibend, ins Lagerfeuer. Ein heiliges Gesetz erlegte ihm auf, Tonina zu helfen, ihr Ziel zu erreichen, aber er war es Paluma schuldig, an den Männern, die sie umgebracht hatten, Vergeltung zu

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