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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Augen im Kopf? »Weil ich das bin.«
    »Das stimmt doch gar nicht.«
    »Lasst es gut sein. Ich weiß es doch genau.«
    Sie riss einen Grashalm aus und verfiel ins Grübeln. »Je mehr ich von der roten Blume höre, umso überzeugter bin ich, dass sie in der Tat magische Kräfte besitzt. Und wenn sie Krankheiten heilen und unfruchtbare Frauen fruchtbar machen kann, dann kann sie bestimmt auch einen beinahe gut aussehenden Mann in einen wirklich gut aussehenden Mann verwandeln.«
    »Großer Lokono, meint Ihr wirklich?«, erwiderte Einauge und musterte das so merkwürdig alte wie kindliche Gesicht.
    »Wenn schon ganz normale Pflanzen Wunder vollbringen können, welche Heilkräfte mögen dann erst einer wundersamen Blume innewohnen?«
    Er blinzelte. Das hatte er noch nicht überlegt. Wenn rote Blütenblätter einen widerspenstigen Leib fruchtbar machen oder Blindheit heilen konnten, warum dann nicht auch seine Probleme? Seine Laune besserte sich. Und selbst wenn die Blume nicht einen Traum von einem Mann, einen Mann wie Chac etwa, aus ihm machen konnte, dann konnte sie vielleicht die Augen der Frauen zumindest so verändern, dass sie in Einauge einen gut aussehenden Burschen sahen.
    Mit einem Mal fühlte er sich beschwingt. »Herrin«, sagte er zu H’meen, »meint Ihr, die Blume könnte mich auch größer machen?«
    Die Begeisterung in seiner Stimme, die plötzliche Hoffnung in seinem Blick, die Bestätigung, dass sie gebraucht wurde, rührten H’meens Herz. »Ist das dein Wunsch?«
    »Schaut mich doch an! Meine Füße reichen ja kaum bis zum Boden!«
    Sie fing an zu lachen. Auch Einauge lachte, und da er sich um so vieles besser fühlte als in den letzten Tagen, fasste er sich an den Bauch und wippte vor und zurück – als sich unvermittelt ein Schatten vor die Sonne schob.
    Das Lachen blieb den beiden im Halse stecken, als sie aufschauten und sahen, dass sich ein Fremder von ungewöhnlichem Äußeren über sie beugte.

35
    An diesem Abend schlugen sie das Lager am See auf, und zum ersten Mal setzte sich Chac nicht von der Gruppe ab, sondern machte Feuer und lud Tonina, Einauge, H’meen und ihre Bediensteten sowie Haarlos mit seiner Frau ein, sich zu ihm zu setzen. Und auch den Fremden.
    Von einem Bauern aus der Gegend hatte Chac einen Truthahn erstanden. Die Frau von Haarlos hatte den Vogel gerupft und vorbereitet, und jetzt drehte sie über den Flammen den Spieß, an dem er hing. Als das Festmahl aufgetragen wurde und die ersten Fleischbrocken für die Götter ins Feuer geworfen worden waren, bekam der Fremde den Hals des Truthahns serviert, eine für gewöhnlich dem Gast vorbehaltene Delikatesse. Genüsslich an den Knochen herumnagend, berichtete der herumziehende Maya seinen Gastgebern Näheres über sich.
    »Ich überbringe Botschaften«, sagte er voller Stolz über sein ehrenvolles Amt. »Ich ziehe über die Weiße Straße und übermittle Nachrichten. Bestimmt habt ihr meinen großen Kopf bemerkt. Er kann sich weit mehr merken als ein normaler Kopf: Nachrichten, Ankündigungen, Aussagen, Meldungen, sogar Liebeserklärungen.« Er klopfte sich an die Schläfe. »Im Augenblick sind hier zweimal dreizehn Nachrichten gespeichert, die ich Menschen zukommen lasse, die bis hinauf zur Meerenge im Norden über die gesamte Halbinsel verstreut sind. Sobald ich die Botschaft überbracht habe, verschwindet sie aus meinem Kopf und macht Platz für eine neue.«
    Das hatte er mit Einauge gemein, nur dass Einauge seine Informationen geheim hielt und nicht ohne Gegenleistung herausrückte. »Familien werden getrennt und auseinandergerissen. Ihr würdet staunen. Töchter verlassen ihr Zuhause, um sich weit weg zu verheiraten. Söhne schauen sich anderswo nach Arbeit um. Ein Mann tritt in die königliche Armee ein. Ein Kaufmann wird in einer Stadt aufgehalten. Familien können aus vielen Gründen voneinander getrennt sein. Um eine Geburt zu verkünden, eine Eheschließung oder einen Todesfall, oder wenn es Neuigkeiten gibt, die Familien austauschen wollen, ist es zu teuer und zu unsicher, einen geschriebenen Brief zu schicken. Also werde ich mit der Übermittlung beauftragt!«
    »Das scheint eine Tätigkeit zu sein, bei der man ziemlich allein ist«, befand H’meen. Und wie eigenartig dieser Mann aussah – hochgewachsen und knochendürr, ein riesiger Schädel und weit auseinanderstehende Augen. Sein Umhang war mit Symbolen geschmückt, die ihn als Boten auswiesen.
    »Keineswegs, ehrenwerte Pflanzenkundlerin! Ich habe Frauen an

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