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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verlassen?
    Deshalb umgab er sich mit jungen Männern, die voller Leben waren und obendrein ehrgeizig, die gern ihre Späße trieben und lachten und Balám zeitweise Ruinen und Dämonen vergessen ließen.
    »Vetter!«, rief einer der jungen Männer über das Feuer hinweg, »du hast gesagt, du würdest uns, sobald wir diesen Platz erreichen, ein Geheimnis verraten. Hat das etwas mit deiner Überraschung für Chac zu tun?«
    Mittags hatten Jäger einen Tapir erlegt und ihn dann den Frauen übergeben, damit sie ihn ausweideten und auf die einzelnen Grüppchen verteilten. Für Baláms Feuerstelle war eine Keule abgefallen, die jetzt langsam über der Glut briet und auf die der Prinz und seine Vettern mit Heißhunger warteten. Um zu prüfen, wie lange es noch dauern würde, stach Balám, während er über eine Antwort nachdachte, mit seinem Messer in das saftige Fleisch.
    Er wusste, dass die Vettern, die ihn seit Uxmal begleiteten, zutiefst loyal waren und er ihnen durchaus Geheimnisse anvertrauen konnte.
    Aber noch war Balám nicht so weit, es galt, den richtigen Augenblick abzupassen. Sollten diese jungen Männer gespannt abwarten, das schärfte ihre Sinne. Also erzählte er ihnen stattdessen, weshalb sie hier waren, am südlichen Rand des Maya-Reiches. Lautes Gelächter erschallte, als er geendet hatte.
    »Was hat es dich gekostet, um diesen Nachrichtenboten dazu zu bewegen, das Märchen von einer roten Blume zu verbreiten?«
    »Drei Klümpchen Jade. Der Mann brachte vor, dass er, da es sich um eine Lüge handle, ein zusätzliches Entgelt für die Götter verlangen müsse. Ich fand den Preis angemessen. Er hat seine Geschichte gut vorgetragen. Chac hat ihm abgenommen, dass er tatsächlich die Blume in dieser Gegend hier gesehen hat.«
    »Wozu das Ganze, Vetter?«
    »Ich habe meine Gründe.« Balám war sehr zufrieden, wie er Chac so weit nach Süden gelockt hatte. Dadurch konnte er Teotihuacán auf keinen Fall mehr rechtzeitig erreichen.
    »Demnach gibt es hier gar keine rote Blume, Vetter?«
    »Keine rote Blume weit und breit – und gewiss nicht die, hinter der das Inselmädchen so verbissen her ist.«
    Er stach mit dem Messer in die Keule, die über dem Feuer briet. Als roter Saft herauslief, erklärte er das Fleisch für gar. Er löste zunächst einen kleinen Brocken heraus, der für Buluc Chabtan, seinen Gott, bestimmt war und den er, ein Gebet sprechend, ins Feuer warf. Dann schnitt er sich selbst eine Scheibe ab, lehnte sich zurück und fing an zu essen, derweil sich seine Kameraden über das restliche Fleisch hermachten.
    »Ich gehe jede Wette ein«, erklärte einer der Vettern nach einer Weile allgemeinen andächtigen Kauens und ließ sofort Balám aufhorchen, »ich wette, dass diese Eule dort oben« – er deutete mit einem fettigen Finger auf einen Ast über sich –, »wenn ich mit diesem Stein nach ihr werfe, nach Osten wegfliegt. Wer meint was anderes?«
    »Ich«, grinste Balám. Nichts vermochte sein Blut so anzuregen wie eine Wette. »Ich sage, der Vogel fliegt Richtung Westen davon. Was setzt du ein?«
    »Dieses Ozelotfell«, sagte der Vetter und klopfte auf die gefleckte Haut um seine Schultern. »Und alles, was ich an Jade besitze.« »Verlockend ist das nicht gerade«, spöttelte Balám. »Wo bleibt denn da der Kitzel?«
    »Was schlägst du dann vor, Vetter?«
    »Eine Hand.« Grinsend spuckte Balám einen Knorpel aus und wischte sich die Finger an seinem Umhang ab. »Wer verliert, opfert eine Hand. Ob die linke oder die rechte darf er selbst bestimmen.«
    Schweigen breitete sich aus. Keiner dachte mehr ans Essen. Wenn der, der die Wette vorgeschlagen hatte, jetzt einen Rückzieher machte, stünde er als Feigling da. Aber unter Umständen eine Hand zu verlieren, behagte ihm auch nicht.
    Gesegneter Lokono!, durchfuhr es Einauge, der von seinem Versteck aus die Szene verfolgte. Würde Balám das Risiko eingehen, wegen einer so lächerlichen Wette eine Hand zu verlieren? Man konnte doch unmöglich wissen, wohin die Eule fliegen würde!
    Eigentlich war es unbegreiflich, dass Balám nach allem, was ihm in Mayapán widerfahren war, weiterhin dem Glücksspiel frönte. Jeder normale Mensch wäre längst zur Besinnung gekommen. Aber Einauge wusste, dass Balám nicht anders konnte und zweifelsohne seine eigene Seele verwetten würde, wenn sich der Einsatz lohnte.
    »Abgemacht«, sagte der Vetter, wenn auch längst nicht so freimütig wie beim Riskieren eines Fells.
    Aller Augen waren auf den Baum gerichtet,

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