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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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umzusehen. So kam sie nicht weiter. Sie musste sich landeinwärts halten, um festen Boden unter die Füße zu bekommen, und erst dann eine südliche Richtung einschlagen. Landeinwärts zu gehen bedeutete, dem vertrauten Meer den Rücken zu kehren. Und davor hatte sie Angst.
    Dennoch zog sie los. Bis zum späten Nachmittag hatte sie das Sumpfgebiet hinter sich gelassen und hörte nicht länger die Schreie der Wasservögel. Sie befand sich in einem dichten, trockenen Wald, fern von jeglicher Küste. Ihr Herz hämmerte. Die Perleninsel war so klein, dass man sie in weniger als einem Tag durchqueren konnte. Eine kurze Strecke über sanfte Hügel, über mehrere Flussläufe und mittendrin durch einen dichten Wald, und schon sah man wieder das Meer.
    Hier nicht.
    Dies hier muss das Festland sein, sagte sie sich. Sie blieb häufig stehen, um die Luft zu schnuppern und den Sonnenstand zu erspähen. Eigentlich unterschied sich das Festland kaum von der Perleninsel, sah man doch hier die gleichen Bäume, von deren Früchten sich ihr Volk seit Generationen ernährte. Auch die Blumen waren die gleichen, ebenso wie die kleinen Tiere, die ihr über den Weg huschten.
    Gerade als sie sich nach Süden wenden und auf die Küste zuhalten wollte, stach ihr der Geruch von Rauch in die Nase. Ein Lagerfeuer? In der Hoffnung, jemand würde ihr den Weg zu der gesuchten Blume weisen, pirschte sie sich näher in die Richtung, aus der der Rauch kam, und gelangte zu einer Lichtung, auf der Männer plaudernd und Pfeife rauchend um ein Lagerfeuer herumsaßen. Toninas Augen wurden kugelrund: Die Männer unterschieden sich in nichts von denen auf der Perleninsel. Abgesehen von den braunen und schwarzen Streifen auf ihren Körpern hätten sie durchaus Toninas Stamm angehören können.
    Das müssen Inselbewohner sein, jubelte sie innerlich, und dann waren sie freundlich und halfen ihr weiter, brachten sie vielleicht sogar mit einem Kanu wieder nach Hause.
    Dann sah sie die Käfige.
    Aus Stöcken und Schnüren gefertigt, ähnelten sie Hummerfallen, nur dass diese hier sehr viel größer waren und sich darin – welch ein Frevel! – gefangene Adler befanden.
    Tonina schluckte. Auf der Perleninsel galt die Jagd auf Adler als Verstoß gegen die Weisungen der Götter, auch wenn es immer wieder Männer gab, die sich nicht darum scherten, weil sie sich den Geistern der Natur überlegen fühlten. Zu dieser Sorte schienen die hier Versammelten zu gehören, weshalb es wohl besser war, wenn Tonina den Rückzug antrat und allein weiterging.
    Etwas hinderte sie daran. In dem am weitesten von ihr entfernten Käfig machte sie einen lediglich mit einem weißen Lendenschurz bekleideten jungen Mann aus, dessen Handgelenke und Fußknöchel gefesselt waren. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Todesangst ab.
    Tonina kroch durch das dichte Gebüsch näher an ihn heran. Als sie bei seinem Käfig anlangte, wandte sich der junge Mann instinktiv zu ihr um und schaute sie zu ihrer Überraschung aus goldgelben Augen an. Mit angehaltenem Atem malte sie ein Schutzzeichen in die Luft. Goldene Augen hatte sie noch nie gesehen.
    Ihr Herz pochte zum Zerspringen. Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber der flehende Blick des Gefangenen ließ sie wie angewurzelt verharren. Und dann bemerkte sie die Wunde auf seiner Stirn und das Blut, das ihm über eine Seite seines Gesichts rann.
    Ohne die Männer am Lagerfeuer aus den Augen zu lassen, robbte Tonina lautlos an den Käfig heran und besah sich den Verschluss. Kein Problem, man brauchte nur die Schnur durchzuschneiden. Sie holte das Messer aus ihrem Reisesack und ging zu Werke. Dann schlüpfte sie in den Käfig und schnitt die Fesseln des Jungen durch.
    Wortlos kroch er ins Freie, hetzte dann auf die Bäume zu. Wie ein wildes Tier wirkte er, als er unvermittelt stehen blieb und sich kurz umschaute, den Körper angespannt, gesammelt zum nächsten Sprung. Tonina legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete zu den Jägern hinüber. »Ganz leise sein«, flüsterte sie.
    Gelbe Augen sahen sie verständnislos an.
    Tonina wies auf die auf dem Boden verstreuten Zweige, die beim Bau der Käfige übrig geblieben waren. »Pass auf, wo du hintrittst. Wir dürfen nicht das kleinste Geräusch machen.«
    Mit gerunzelter Stirn sah er zu Boden, dann blieb sein Blick an ihren nackten Beinen haften.
    Auch Tonina schaute an sich hinunter. Hatte Großvater nicht gesagt, die Leute auf dem Festland hätten etwas dagegen, wenn Frauen ihre Haut zur Schau

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