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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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seit dem Tag, da eine Horde Jugendlicher mich in einer Seitenstraße in Mayapán quälte.«
    »Hast du mir nicht erzählt, Balám hätte dich vor ihnen beschützt?«
    »Sie hatten mich hinter dem Tempel des Kukulcán umringt und bewarfen mich mit Steinen. Balám kam mir zur Hilfe, verjagte sie und freundete sich mit mir an, stellte mich dem Leiter der Kaserne vor, in der die Ballspieler untergebracht waren. Was ich dir nicht erzählt habe, Tonina«, sagte er und seine Stirn verzerrte sich angesichts der schmerzlichen Erinnerung, »was ich keiner Menschenseele erzählt habe, nicht einmal Paluma, ist, dass Balám der Anführer dieser Bande war. Er war es, der den Überfall damals anzettelte.«
    Er brach ab. Das Bild von dem verängstigten und geschundenen kleinen Chichimeken-Jungen tauchte wieder vor ihm auf. Wie er sich damals an die Wand gedrückt hatte, um sich vor dem Steinhagel zu schützen, der so weh tat und ihn verwundete. »Plötzlich befahl Balám, sie sollten damit aufhören. Er verjagte die anderen und gab mir seinen Umhang, damit ich mir die Tränen abwischen konnte. Und dann wurde er mein Freund.«
    »Warum hat er sich so verhalten?«
    »Es ging um eine Wette. Schon als Junge lag ihm das Wetten im Blut. Er hatte mit den anderen darum gewettet, dass ich nicht weglaufen, dass ich mich von ihnen mit Steinen traktieren lassen würde. Seine Freunde hingegen meinten, ich würde wegrennen. Aber das tat ich nicht. Also gewann Balám die Wette. Damals nahm ich an, dass er mich deswegen gern hatte. Aber im Nachhinein, Tonina, sieht alles ganz anders aus. Nachdem ich den Isthmus von Tehuantepec verlassen hatte und nicht mehr in Baláms Nähe war, stellte ich fest, dass ich so einiges plötzlich sehr viel klarer sah. Weil ich unbedingt ein Maya sein wollte, hatte ich Balám immer für durch und durch anständig gehalten. Ich wollte wie er sein. Wenn ich ihn anschaute, sah ich nur, was ich sehen wollte, nicht das, was wirklich war. Aber in den letzten Monaten, in denen ich allein unterwegs war, habe ich begriffen, was diese beiden Jungen von damals miteinander verband.«
    Er legte eine Pause ein. Von hoch oben auf einem Baum war wieder der Lockruf der Eule zu vernehmen. Aus der Ferne kam die Antwort.
    »In gewisser Weise brauchte mich Balám«, fuhr Chac fort. »Um sich selbst zu erhöhen, brauchte er jemanden um sich herum, den er und auch seine Freunde als minderwertig erachteten. Ich war der Sohn von Barbaren. Ich war kein Maya. Mit mir an der Seite stieg sein Selbstwertgefühl. Heute weiß ich, dass er mich, auch wenn er mich ›Bruder‹ nannte, immer verachtet hat.«
    Tonina liebkoste seine Wange, küsste sie. »Das tut mir leid für dich«, wisperte sie.
    »Ein kluger Koch überdeckt den Geschmack von verdorbenem Fleisch, indem er etwas beigibt, was das Ganze überlagert«, sagte er mit kummervollem Blick. »Genauso habe ich es mit Balám gehalten, ihm gute Eigenschaften angedichtet, die die darunterliegende Fäulnis überdeckten.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Tonina. »Aber warum glaubst du, dass dies dein tonali ist? Ich habe immer angenommen, die Götter hätten Größeres mit dir vor.«
    Er lächelte traurig. »Dir, Tonina, haben die Götter erhabene Ziele vorgegeben. Mir haben sie einen eher erdgebundenen und nüchternen Pfad zugewiesen. Sofern die Götter mich überhaupt leiten.«
    »Und wenn du Balám gefunden hast? Wenn du ihn getötet hast? Was dann?«
    Aber darauf wusste Chac keine Antwort, und das erfüllte Tonina mit Wehmut. Es schien ein nutzloses Leben zu sein, ein Leben ohne irgendein tonali. Dabei war sie überzeugt, dass er geboren worden war, um Großes zu vollbringen, nur was das genau war, wusste sie nicht. Und solange sie ihm nicht sagen konnte, was dieses Große war, würde sie ihn nicht umstimmen können.
    »Wie lange wirst du dafür brauchen?«, fragte sie unter Tränen. »Auch das liegt in der Hand der Götter.«
    Sie zog ihn an sich und schloss die Augen, um sich einmal mehr und der Welt draußen zum Trotz diesem Augenblick und Chacs Liebe hinzugeben.

67
    Tonina schreckte hoch.
    Sie hatte unruhig geschlafen, war von eigenartigen Träumen und bedrückenden Bildern heimgesucht worden. Abermals hatte sie die Vision von Toten gehabt, die verstreut auf einer Ebene lagen, von einem mit schwarzem Rauch überzogenen Himmel, von ihrem Vater, der um Hilfe rief. Diesmal jedoch hatte sie noch mehr erkannt – verstörte Menschen, die in diesem Durcheinander blindlings in alle

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