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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Spielfeld angelangt, wo es vor Zuschauern wimmelte, wurde Tonina klar, dass auch der von Menschenhand angelegte Platz in Chichén Itzá einst ein Austragungsort für diese Ballspiele gewesen sein musste. Nur dass sich hier, auf dem von Mayapán unglaublich viele Leute drängten – Imbissverkäufer, Akrobaten, Jongleure, Männer, die erregt Wetten abschlossen oder Einsätze entgegennahmen –, während das Spielfeld in Chichén Itzá offenbar seit Urzeiten nicht mehr benutzt worden war.
    Als sie gewahr wurde, wie haufenweise Männer erregt seltsame Gegenstände hin und her reichten, fragte sie Einauge, wer diese Leute seien.
    »Man nennt sie koxol «, erklärte er, »das ist die Maya-Bezeichnung für ›Moskito‹. Sie sind professionelle Wettanbieter, können lesen und schreiben und mit Zahlen umgehen. Sie notieren den Namen des Wettenden und die Höhe seines Einsatzes auf Baumrindenstreifen, und der, der die Wette abschließt, sticht sich dann mit einem Dorn in den Daumen und setzt den blutigen Abdruck auf dieses Papier.«
    »Warum nennt man sie Moskitos?« Tonina war beeindruckt, wie flott diese Männer schrieben, das Notierte dem Wettenden zurückreichten, damit der seinen Daumenabdruck abgab, und gleich darauf den nächsten Streifen bekritzelten, um ihn abermals in Windeseile über die Köpfe der Umstehenden hinweg dem neuen Kunden zu reichen.
    »Ein uralter Spitzname. Muss wohl damit zu tun haben, dass sie sehr flink und schwer zu fangen sind und man ihnen kaum entkommt. Ausgemachte Blutsauger sind das!« Einauge lachte, zuckte dann mit den Schultern. »Kann aber auch wegen der für sie typischen hohen, spitzen Hüte sein, die sie wie Moskitos aussehen lassen.«
    »Warum drängt man sich so um sie?«
    »Wie soll man sonst um mehr als nur zwei Kakaobohnen wetten?« Unglaublich, die Ahnungslosigkeit dieses Mädchens, wenn es um Geschäfte ging.
    »Was ist das, was sie da verteilen?«, fragte sie und deutete auf die kleinen Papierstreifen, die die koxol ihren Kunden aushändigten.
    »Pfandscheine. Nehmen wir mal an, du möchtest fünf Perlen auf das morgige Spiel setzen. Dann zeigst du dem koxol deine Perlen, er notiert auf einem Stück Papier, wer deiner Meinung nach gewinnt oder verliert, was und wie viel du einsetzt sowie deinen Namen, und du stempelst das mit deinem blutigen Daumen ab. Im Gegenzug gibt er dir einen Beleg, auf dem vermerkt ist, was du bekommst, wenn sich deine Vorhersage als richtig erweist, du also gewinnst. Du kannst zum Beispiel Perlen gegen Kakaobohnen wetten. Wenn deine Mannschaft dann verliert, präsentiert dir der koxol den Beleg, auf dem dein Daumenabdruck drauf ist, und du musst ihm die Perlen aushändigen. Wenn aber deine Mannschaft gewinnt, weist du den Beleg vor, den er dir gegeben hat, und er zahlt dir die zugesagten Kakaobohnen aus.«
    Tonina nickte still. Nicht im Traum dachte sie daran, ihre Perlen als Wetteinsatz zu verwenden.
    Trompeten erschallten, die Zuschauer drängten sich um das Spielfeld herum. Um aus der Höhe das Spiel zu verfolgen, nahmen Adlige und Mitglieder des Königshauses auf der Plattform ganz oben auf den schrägen Wänden, die an zwei Seiten das Spielfeld einrahmten, auf Matten, Decken oder Schemeln Platz, während hinter ihnen der niedrigere Adel und die Wohlhabenden Aufstellung nahmen und noch weiter hinten die restliche Bevölkerung, die drängelnd und schubsend einen Blick auf den Ort des Geschehens zu erhaschen suchte. Front- und Stirnseite des riesigen Spielfeldes waren offen. An der einen saßen Seine Großherzige Güte, seine Familie und Höflinge, die andere war den Familien der beliebtesten Spieler vorbehalten. Behäbige Ehefrauen mit zahlreichen Kindern, alle festlich herausgeputzt, hockten auf Schemeln und Matten. Paluma hatte einen Ehrenplatz inne, neben einer ungemein korpulenten Frau, die, wie Tonina erfuhr, Yaxche hieß und die Gemahlin von Prinz Balám war. Was sie mit Paluma gemein hatte, war die etwas spitz zulaufende Kopfform, die schräg stehenden Augen und die vorstehenden Schneidezähne. Das war aber auch schon alles. Yaxche war so dick, dass ihr ausladendes Hinterteil zwei Schemel beanspruchte.
    Tonina und Tapferer Adler nahmen Platz hinter Paluma, die Einauge, dem dritten im Bunde, fürsorglich einen Schemel zuwies, auf den er sich stellen und dadurch über die Köpfe der vor ihm Sitzenden hinwegschauen konnte. Erwartungsvoll blickten die drei auf das noch leere Spielfeld. Tonina hatte keine Hemmung, aus dieser Entfernung den König

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