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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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durch die Luft und wäre Chac um ein Haar an den Kopf geprallt, wenn Balám nicht im richtigen Augenblick hochgesprungen wäre und ihn mit dem Schenkel in eine andere Richtung gelenkt hätte. Tonina schluckte. Eine Unachtsamkeit von Balám, und Chac wäre jetzt tot. Wie es wohl war, überlegte sie, wenn man wie diese Spieler sein Leben in die Hand eines anderen legte? Beim Perlentauchen war man auf sich allein gestellt, Tonina hatte sich immer nur auf sich selbst verlassen.
    Schließlich war das Spiel beendet. Als alle auf das Feld stürmten, um die Favoriten auf den Schultern davonzutragen, schritt Chac auf Paluma zu und legte ihr, dreckig, verschwitzt und blutverkrustet, wie er war, feierlich und voller Verehrung den Ball zu Füßen. Als Tonina sah, wie er dabei seine Frau anschaute, verspürte sie unwillkürlich stechende Eifersucht.
    Wegen des Ansturms der Menschenmenge bildete die Stadtwache jetzt einen schützenden Ring um Chac, seine Frau und seine Freunde. Tonina wandte sich mit einem Ruck ab und sagte entschieden: »Jetzt können wir in den Palastgarten gehen.«
    Der Zwerg ließ sich seinen Unmut nicht anmerken. Warum wollte sie unbedingt jetzt dorthin? Morgen war doch auch noch Zeit dafür. Welcher vernünftige Mensch schlug dafür ein opulentes Essen mit Unterhaltung und obendrein vielleicht ein paar großzügigen Geschenken aus?
    Missmutig folgte er dem Mädchen, ohne zu ahnen, dass auch Tonina nicht hätte sagen können, warum sie es so eilig hatte, den königlichen Garten aufzusuchen und anschließend Mayapán zu verlassen. Dahinter steckte mehr als die Sorge um ihren Großvater und ihr Volk. Der eigentliche Grund, weshalb Tonina um jeden Preis der Villa von Paluma fernbleiben wollte, lag in den bislang ungekannten Empfindungen, die Tonina heimsuchten. Sie hatte keine Worte für diese Gefühle, aber sie erschreckten sie und bereiteten ihr Unbehagen.
    All dies hing mit Chac zusammen. Er war es, dem sie ab sofort aus dem Weg gehen musste.
    Die Sonne ging unter, auf der Plaza vor dem Palast herrschte heilloses Gedränge. Tonina stellte fest, dass sie nicht näher an die königliche Residenz herankamen. »Was ist denn bloß los?«, fragte sie.
    »Guay!«
    Einauge wurde mit Tritten und achtlosen Fäusten drangsaliert. »Aufhören!«, befahl sie denen, die sie umringten. »Passt doch auf! Ihr verletzt … « Irgendjemand schien die Menge aufzuheizen, immer mehr verschwitzte Körper strömten auf die Plaza, verängstigte Schreie wurden laut. Tonina kam es vor, als würde sie verschluckt werden.
    Und dann stürzte Einauge. Ein Fuß trat auf seine Hand. Der Zwerg schrie auf.
    Tonina versuchte, die Drängler wegzuschubsen. Aber von hinten wurde nachgeschoben, und plötzlich fürchtete sie, selbst gleich hinzufallen und totgetrampelt zu werden …
    … aber da hob Tapferer Adler bereits den Zwerg vom Boden auf und setzte ihn sich auf seine Schultern. Während er ihn mit einer Hand abstützte, griff er mit der anderen nach Toninas Handgelenk und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
    Als er sich in eine ruhige Seitenstraße durchgekämpft hatte, setzte er Einauge ab und sah Tonina fragend an. »Alles in Ordnung mit dir?«, wandte sie sich an den Zwerg, der sich seine geschundene Hand rieb, dennoch aber ein griesgrämiges »Ja« von sich gab.
    »Was ist denn auf der Plaza los?«
    »Man bringt den Göttern ein Opfer dar.« Einauges Stolz war weit mehr verletzt als seine Hand. Einem Zwerg tat man nur selten etwas zuleide. Selbst im Gedränge nahm man Rücksicht auf den kleinen Glücksbringer. Der Vorfall eben war beschämend.
    Er blickte zu Tapferem Adler auf. Wie stark dieser Junge war! Viel kräftiger als er aussah. Und im Geiste verdreifachte Einauge den Preis, den er von den Adlerjägern zu fordern gedachte.
    »Ein Opfer?«, fragte Tonina.
    »In einem der heiligsten Rituale des Jahres wird ein Mann den Kopf verlieren.«
    »Warum?«
    Einauge zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen, zum anderen Ende der Seitenstraße und damit zurück zu Palumas Villa. »In weit zurückliegenden Zeiten pflegte man den Spielführer der siegreichen Mannschaft auf dem Spielfeld zu enthaupten. Irgendwann befand dann ein kluger Kopf, dass ein toter Spieler ein wertloser Spieler sei. Heutzutage bestimmt man jemanden als Opfer und stellt damit die Götter zufrieden.«
    »Der arme Mann«, murmelte Tonina und warf einen Blick zurück auf die Plaza, wo sie jetzt das Opfer sah, das, auf einem Thron sitzend, aus der Menge

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