Das Perlenmaedchen
zeitweise völlig in Anspruch nahm. In welches Dilemma sich der Prinz damit gebracht hatte, erfuhr Chac jetzt.
Meist mussten die Männer, die die Dienste eines koxol in Anspruch nahmen, vorweisen, was sie als Einsatz boten – Jadeschmuck oder den Nachweis des Besitzes, den sie riskierten. Da Balám ein Prinz war, genügte sein Wort. Unseligerweise verwettete er deshalb weit mehr, als seine Mittel erlaubten. Eine Katastrophe.
»Chac, erinnerst du dich daran, dass Yaxche und ich im vergangenen Jahr mit Ziyal meine Eltern in Uxmal besuchten? Und dass wir bei unserer Rückkehr entdeckten, dass bei uns eingebrochen und überaus wertvolle Gegenstände entwendet worden waren?«
Chac wartete ab, bis Balám einen Schluck getrunken und sich mit dem Handrücken über den Mund gewischt hatte.
»Diese Objekte waren schon vor unserer Abreise nicht mehr vorhanden«, sagte er kläglich. »Ich musste damit Spielschulden begleichen. Yaxche weiß nicht, dass ich die Jadeohrringe, an denen sie so hängt, bei einem Hundekampf verloren habe. Dass ich viel von ihrem Schmuck verspielt habe. Deshalb habe ich sie mit nach Uxmal genommen. Damit sie nicht merkte, dass das alles weg war.«
Chac hatte geglaubt, dass Balám seinen Spieltrieb unter Kontrolle hielt. Er hatte seine Schwäche zu verbergen verstanden, vor seiner Frau, seinen Mannschaftskameraden, seinem besten Freund. »Ich habe dich belogen, Bruder. Alle habe ich belogen. Yaxche. Meine eigene Mutter. Sie schenkte mir einen mit feinster Jade überzogenen goldenen Becher. Ich habe ihn verspielt.
Dabei habe ich nicht nur Pech gehabt«, versuchte er sich zu rechtfertigen. »Ich habe auch gewonnen. Gerade das ist ja das Vertrackte dabei! Ich habe sagenhafte Preziosen eingeheimst, mit denen ich Yaxche überraschen wollte, die ich aber bereits einen Tag später wieder verspielt habe. Bruder, ich scheine einfach nicht genug Glück zu haben, um da rauszukommen. Je tiefer ich mich verschulde, umso leidenschaftlicher spiele ich, um die Schulden zu begleichen. Eine Weile ging das auch ganz gut, aber jetzt … «
»Wie schlimm ist es?«, fragte Chac.
Balám schluckte mühsam. »Ich schulde alles … meine Ländereien, meinen Besitz … und mehr.«
»Bei allen Göttern!«, entrang es sich Chac.
Baláms Augen füllten sich mit Tränen. »Yaxche ist unersättlich. Und ich liebe sie so sehr, dass ich ihr nichts abschlagen kann.« Wie verschieden ihre Ehefrauen doch waren, sinnierte Chac, Paluma ein kleiner Sperling, Yaxche eher eine fette Gans.
»Sie wünschte sich einen Garten mit Avocadobäumen. Also setzte ich gegen einen Mann aus Yaxchilan, beim Knöchelspiel. Ich verlor. Wir spielten weiter. Ich verlor jedes Mal. Er ließ ein Papier ausfertigen, und ich setzte meinen Daumenabdruck darauf. Dann spielte ich mit einem anderen, um die Schulden aufzufangen. Die Sache lief mir aus dem Ruder … Wenn die, die gegen mich gewonnen hatten, ihren Gewinn einforderten, konnte ich nur dafür aufkommen, indem ich mir Geld lieh oder mit anderen Männern Wetten abschloss.«
Nimm alles, was ich habe, hätte Chac noch vor wenigen Tagen gesagt. Aber jetzt war Paluma schwanger, und Chac musste an seinen Sohn denken. »Was ist mit deiner Familie in Uxmal?«, fragte er stattdessen. Bei den Maya war es üblich, dass die Angehörigen einsprangen, wenn ein Mann in Schwierigkeiten war.
»Sie würden bettelarm werden«, sagte Balám zerknirscht.
»Derart gewaltig sind deine Schulden?«, sagte Chac erstaunt. Balám ließ den Kopf hängen.
Chac wartete ab. Er ahnte, dass dies nicht der einzige Grund war, weshalb Balám um diese heilige Stunde, in der sich beide auf das morgige Spiel vorbereiten sollten, zu ihm gekommen war. Die Schulden hätten warten können. Irgendetwas anderes duldete jedoch keinen Aufschub.
Nach einer Weile hob Balám den Kopf. »Vorhin sprach ein Besucher bei mir vor. Er vertritt eine Vereinigung von reichen Männern, deren Ziel es ist, noch reicher zu werden. Chac, er besaß all meine Schuldscheine, jedes Stück Papier, das ich in der Stadt unterzeichnet hatte, abgeschlossen bei Wetten mit allen möglichen Leuten!«
»Wie … ?«
»Diese Vereinigung ist sehr reich. Angeblich sogar reicher als alle Fürsten des Landes zusammen. Sie haben meine sämtlichen Schuldscheine aufgekauft – und meine Schulden beglichen.« Chac runzelte die Stirn. »Wieso haben sie das getan?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Wie ein in die Enge Getriebener sah Balám ihn an.
Chac schüttelte den
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