Das Perlenmaedchen
es sich dann schmecken zu lassen, nicht ohne die Jäger mit seinem guten Auge zu taxieren. Nervöse Burschen, befand er, keineswegs erfreut, so weit weg von zu Hause zu sein. Nicht entspannt, wie man es zu sein pflegte, wenn man schmausend um ein Feuer herum saß, sondern ständig auf der Hut und stets den Blick über die Menge auf dem Marktplatz schweifen zu lassen. »Was führt euch denn nach Mayapán?«, fragte er wie beiläufig.
Besonders gesprächig waren sie nicht.
»Wenn ihr zum Einkaufen oder Tauschen hier seid«, sagte Einauge und leckte sich die kurzen, dicken Finger, »kann ich euch vielleicht helfen. Ich kenne viele der hiesigen Händler und kann dafür sorgen, dass sie euch nicht übers Ohr hauen. Erwähnt einfach meinen Namen – Einauge –, und ihr werdet zu hören bekommen, dass ich der ehrenhafteste Mann im Land bin.«
Der Anführer, in dessen Haar drei kostbare Adlerfedern steckten, grunzte und sagte dann, dass sie einen entlaufenen Sklaven suchten. »Wir vermuten ihn irgendwo hier, zusammen mit einem Mädchen.«
Einauge zuckte mit den Schultern. »Gibt viele Jungen und Mädchen in Mayapán. Schon möglich, dass ich sie gesehen habe. Wie sollen sie denn aussehen?«
»Ein hochgewachsenes Inselmädchen in Begleitung eines blasshäutigen Jungen ohne jegliche Tätowierung?«, wiederholte er die von den Jägern erhaltene Beschreibung. »Die habe ich tatsächlich hier auf dem Marktplatz gesehen, drüben beim Haupttor.«
Als zwei der Jäger nach ihren Speeren griffen und aufspringen wollten, fügte er rasch hinzu: »Nicht doch, dort sind sie nicht mehr.«
»Dann sag uns, wo sie sich jetzt aufhalten.«
»Mal überlegen.« Er schaute von einem der vom Feuerschein erhellten Gesichter zum anderen. Keine freundlichen Gesellen, ziemlich mordlüstern, befand er und fragte sich, inwieweit sein Feilschen erfolgreich sein würde.
»Wie viel verlangst du für die Auskunft?«, fragte da bereits der Anführer, nicht ohne aufzuseufzen. Einauge grinste. Er tat, als überlegte er, und sagte dann: »Zehn Kakaobohnen.«
Sie wurden ihm ausgehändigt.
Die kostbaren Bohnen in der vollfleischigen Handfläche, dachte Einauge an die restliche Bezahlung, die er zu fordern gedachte und die ihm ein geruhsames Leben mit vielen Frauen und Annehmlichkeiten ermöglichen würde. Er sah die Jäger an, deutete über die Schulter und sagte: »Sie sind gestern in östlicher Richtung nach Tulum aufgebrochen.«
Niemand wusste, worauf sich das geheimnisvolle Ritual begründete oder was es einmal bedeutet hatte. Für einige symbolisierten die vermummten Priester, die mitten in der Nacht auftauchten, um die Teilnehmer auf das Spielfeld zu begleiten, Soldaten aus früherer Zeit, die Gefangene zu ihrem Anführer brachten. Andere sahen darin nichts weiter als eine Sicherheitsmaßnahme, um beliebten Spielern zu ersparen, auf dem Weg zum Schauplatz von Bewunderern belästigt zu werden. Was auch immer der Grund für dieses Ritual war – Chac hielt es bei seinen Vorbereitungen genau ein, wickelte sich Lederstreifen um Handgelenke und Fußknöchel, betete zur Göttin des Mondes. Als sein Oberster Verwalter eintrat, sich tief verbeugte und sagte: »Herr, ein Besucher bittet vorgelassen zu werden«, fragte Chac überrascht: »So früh?« Der Priester erschien für gewöhnlich später.
»Es ist Prinz Balám, Herr.«
Balám! »Führe ihn herein.«
Chac war erschüttert, wie schlecht der Freund aussah. Baláms Gesicht spiegelte Kummer und Sorge wider. »Was ist los, Bruder?«, fragte Chac tief betroffen. Balám sollte zu Hause sein, bereit für die Ankunft der Priester.
Trotz der kühlen Nacht war Balám schweißgebadet, seine Haut aschfarben. »Hast du etwas zu trinken?«
Chac bestellte kawkaw, aber Balám bat um Stärkeres. Pulque wurde gebracht, den er zu Chacs Entsetzen in einem Zug hinunterkippte. In der Nacht vor dem wichtigsten Spiel des Jahres! Balám wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab, sah dem langjährigen Freund in die Augen. »Bruder, ich stecke bis zum Hals in Schwierigkeiten.«
Mürrisch watschelte Einauge die von Fackeln erhellte Straße entlang. Da sich nachts kaum jemand aus dem Haus wagte, war er als Einziger zu dieser späten Stunde unterwegs. Sein gedrungener Schatten warf bizarre Formen an die Mauern, als er sich beeilte, so schnell wie möglich Palumas Villa zu erreichen. »Einauge, du Narr! Du Trottel! Hast du den Verstand verloren? Warst kurz davor, ein reicher Mann zu sein – hättest nur zu sagen
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