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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Armen, als sie weinte, weil ihr allererstes Zähnchen ihr zu schaffen machte. Und als sie zu mir kam und mir stolz ihren ersten Milchzahn zeigte, den sie sich, weil er wackelte, selbst gezogen hatte, habe ich ihr zu Ehren ein Fest veranstaltet. Dieser Zahn erinnert mich an ihr Lächeln und daran, dass ich ihr auf ewig ergeben sein werde. Obendrein verfügt er über große Macht, es ist der wirkungsvollste Talisman, den ich besitze. Bruder, ich weiß, dass ich von einem bösen Geist besessen bin. Wenn ich aber morgen tue, was die Vereinigung von mir verlangt, wird der böse Geist ausfahren. Dessen bin ich mir sicher. Bitte!«
    Chacs Schulter umklammernd, schluchzte Balám jetzt hemmungslos. Von seinem Versteck hinter dem Vorhang an der Türöffnung konnte Einauge Chacs Gesicht erkennen – verschlossene Züge, blass, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Und dann sagte Chac: »Ich kann nicht zulassen, dass solches Unheil über meinen Bruder hereinbricht.« Mit angespannter, aber fester Stimme fügte er hinzu: »Mögen die Götter uns beiden gnädig sein.«
    Einauge trat benommen den Rückzug an. Er würde es tun. Chac würde tatsächlich den Sieg verschenken.
    Blindlings tappte er zu den Unterkünften der Dienerschaft. Panik überfiel ihn. In der festen Überzeugung, dass Mayapán gewinnen würde, hatte Einauge ansehnliche Wetten für das morgige Spiel abgeschlossen, ein Vermögen eingesetzt, das er gar nicht besaß! Wenn er verlor, würde er seine Schulden nicht begleichen können, und dann würde man ihn, Zwerg hin oder her, als Sklaven verkaufen.
    Über schnarchende Mägde, Köche, Verwalter und Gärtner steigend, landete er schließlich bei Tonina und Tapferem Adler. Er schüttelte das Mädchen sanft, raunte ihr ein »Pscht« zu und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
    Draußen im Garten, unter einem runden Mond, berichtete er ihr von dem, was er erlauscht hatte. Tonina gähnte und rieb sich die Augen, weit davon entfernt zu erfassen, wovon Einauge da sprach. Auf der Perleninsel wurde auch ständig gewettet. Was war daran so schlimm?
    »Auf den Inseln ist es was anderes!«, zischte Einauge und zwickte sie in den Arm. »Wach auf! Wir sind in Gefahr.«
    Er wiederholte das Gespräch zwischen Balám und Chac, und diesmal begriff Tonina, worum es ging.
    »Ich muss raus aus der Stadt«, schloss Einauge. »Etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Beim ersten Tageslicht werde ich mich durchs Haupttor verkrümeln und auf dem Weg nach Süden sein, noch ehe man meine Abwesenheit bemerkt.«
    Als sie sein Zögern bemerkte, fragte sie: »Um dich in Sicherheit zu bringen?«
    Traurig schüttelte er den Kopf. »Ein Entrinnen gibt es nicht. Die Leute, die hohe Wetteinsätze annehmen, haben in allen Städten und Dörfern Augen und Ohren. Und da nun mal nicht zu leugnen ist, dass ich mit meinem Äußeren Aufsehen errege, kann mich keine Verkleidung der Welt retten.« »Was also könnten wir sonst tun?«
    Er sah Betroffenheit in Toninas Augen. Da war sie wieder, die Sorge um sein Wohlergehen. »Wir« hatte sie gesagt. Ein weiteres erstes Mal in seinem Leben. Unvermittelt kam ihm eine Idee. »Es gäbe wohl einen Weg, die Dinge zurechtzurücken.«
    »Und der wäre?«
    »Du musst Chac einen Schluck aus deinem Becher trinken lassen und ihm dann sagen, dass morgen Mayapán gewinnt.«
    »Wie soll das helfen?«
    »Verstehst du nicht?« Seine Rettung vor Augen, sprach er hastig weiter. »Du sagst Chac, dass seine Mannschaft gewinnt, das heißt, dass die Götter es bereits so bestimmt haben. Sich den Wünschen der Götter zu widersetzen, wird er nicht wagen.«
    Tonina kaute auf ihrer Unterlippe herum. Sie hatte sich geschworen, nicht mehr zu lügen. Wenn sie sich nicht daran hielt, würde sie dann zur Strafe die Blume nicht finden?
    Andererseits wollte sie Einauge helfen und auch Chac davor bewahren, sich den Hass der Götter zuzuziehen, indem er absichtlich das Spiel verlor. Außerdem hatte Paluma Tapferen Adler mit so viel Freundlichkeit bedacht. »Ich werde Chac die Zukunft deuten«, sagte sie schließlich. »Ich werde ihm sagen, dass er das Spiel morgen gewinnen wird, damit er seine Mannschaft nicht zwingt, es zu verlieren.«
    Als sie am Morgen gerufen wurden, um eine Vorhersage zu treffen, erwartete Paluma sie allein. Chac war nicht da.

17
    Von weit her waren die Menschen herbeigeströmt, um dem Dreizehnten Spiel beizuwohnen. Die koxol hatten alle Hände voll zu tun, Wetten entgegenzunehmen und Schuldscheine auszustellen. Oben auf

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