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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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nicht erklären. Er musste sie für eine Lügnerin halten, die sich von ihm auch noch zu Sandwich und Saft einladen ließ.
    »Ich habe zwei Diplome! Ich spreche vier Sprachen!« Er warf seinen Zigarettenstummel weg. »Zigarettenpause vorbei. Fahren bis sieben Uhr. So lange habe ich das Taxi.«
    »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«
    »Kann ich Ihnen meine Karte geben? Falls Sie doch welche treffen, die plötzlich rausmüssen?«
    Er stand auf. Er streckte sich. Offenbar hatte er Probleme mit den Bandscheiben. Er gab ihr seine Karte.
    »Und sagen Sie Ihrer Freundin, in Teheran ist es legal.«
    »Legal?«
    »Die Operation. Sie dürfen im Iran nicht schwul sein, sonst kommen Sie an den Strick. Aber ein Mann darf eine Frau werden.«
    »Sie machen sich lustig.«
    »Fatwa von Khomeini.« Er dehnte die Arme hinter dem Nacken, beugte den Rumpf. »Operation ist im Koran nicht verboten, also ist es legal. Iran hat die höchste Zahl von Geschlechtsumwandlungen nach Thailand. Die Ärzte sind sehr gut. Viele kommen aus dem Ausland.«
    Er deutete auf eine Frau in Netzstrümpfen und hohen Stiefeln, die aus einem Auto stieg. Sie war stark geschminkt und trug ein Halstuch.
    »Griechische Transen sind hässlich. Im Iran haben sie Silikon, in Griechenland spritzen sie nur Hormone. Sie können sich die Operation nicht leisten. Sie tragen Halstuch, wegen Adamsapfel. Sie werden dick und spritzen immer mehr. Für zwanzig Euro steigen sie zu jedem Mann ins Auto. Ihre Freundin muss nach Teheran. Aber sie muss die Operation bald machen. Wenn sie zu alt ist, ist es zu spät.«

14. August
    »Die Drachme ist heute die stabilste Währung der Welt.«
    Franz-Josef Strauß, Bundesfinanzminister,
1968 über die Politik der griechischen Militärjunta

19
    Maria lag im Kingsize-Bett ihres Hotelzimmers, die Fernbedienung in der Hand. Griechenland war Topthema auf euronews. Sechs Stunden Warnstreik der DEI, der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft. Drohung mit unbefristetem Ausstand, Stromausfall im ganzen Land. Das Titania-Hotel hatte wahrscheinlich eigene Generatoren. Vielleicht war das Griechenlands Zukunft: Generatoren fürdie Reichen, Kerzen und Lagerfeuer für den Rest.
    8.30 Uhr. Sie konnte nicht mehr lange liegen bleiben. Sie musste aufstehen und hinunter in den Frühstücksraum fahren. Sie stellte sich unter die Dusche und ging noch einmal ihren Plan durch: Etwas abseits setzen, allein an einen Tisch. Das Kapuzenshirt über die Lehne hängen. Zum Buffet gehen und den Teller mit Brötchen, Honigschälchen und Käseecken füllen. Am Tisch den Inhalt unauffällig in die Kapuze gleiten lassen. Etwas essen. Hoch ins Zimmer fahren und den Inhalt ihrer Kapuze in der Minibar verstauen. Eine halbe Stunde später den Vorgang wiederholen, möglichst mit Obst. Allerdings bestand die Gefahr, dass die Kapuze auffällig schwer werden würde. Die Bananen konnten herausragen. Also keine Bananen. Kiwis, falls vorhanden. Im Portemonnaie hatte sie noch zehn Euro sechzig. Sie konnte sich keine unnötigen Ausgaben leisten!
    Sie trocknete sich ab und setzte sich auf den Bettrand. Hard Talk auf BBC. Die Sendung hatte gerade begonnen. Ein griechischer Politiker war zu Gast. Nicht der Ministerpräsident, das Gesicht hätte sie erkannt. Vermutlich ein Minister. Er war jung, höchstens vierzig. Das dichte schwarze Haar, obwohl sorgsam nach hinten gegelt, ließ ihn jugendlich wirken. Sein mächtiges Kinn hatte etwas von einem Rammbock. Das Menjou-Bärtchen bildete immerhin einen reizvollen Kontrast. »Die neuen Zahlen«, sagte er, »sind gut. Griechenland ist auf dem richtigen Weg.« »Aber«, wendete Stephen Sackur ein, »die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft schrumpft …« »Die Zahlen«, insistierte der Minister, »sind gut. Und das, obwohl Griechenland für Europa seit Jahren an der Front steht. Illegale Einwanderung. Menschen- und Drogenschmuggel. Terrorismus. Kein Volk«, sagte er, »zahlt für die Verteidigung der europäischen Werte einen so hohen Preis. Wofür? Tägliche Demütigung? Drohungen und Spardiktate? Was wird aus Europa«, fragte der Minister, »wenn Griechenland aufsteht und Óxi sagt? Nein?«
    Der Minister sprach leise und konzentriert. Sackur unterbrach, wie üblich, nach jedem Halbsatz – »welche Drohungen, welche Demütigung?« Der Minister hielt inne, sah den Moderator an. Als zögere er mit der Antwort, nehme alle Zwischenfragen ernst, wolle seinen Gesprächspartner keinesfalls mit Plattitüden abspeisen. Sackur füllte

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