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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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zu töten! Was den Starken vom Schwachen unterscheidet, ist das Erkennen des Augenblicks. Sie hatte ihn beim Wasserlassen erwischt wie einen kleinen Jungen. Deshalb war er schwach gewesen. Hatte den Augenblick verpasst. Hatte sie das Blut sehen und aufs Fahrrad steigen lassen. Und für diese Schwäche zahlte er jetzt.
    Dann die Sache mit den Steinen. Aus der Deckung des Felsens hatte sie ihn beworfen. Verteidigung, nun gut. Er hatte sie töten wollen. Aber als er schon wieder auf der Piste stand, fast an der Tür seines Wagens – da hatte sie den letzten, tückischen Stein geworfen. Das war nicht mehr Notwehr gewesen. Er war nicht mehr Angreifer gewesen, er war längst auf der Flucht. Und wenn er sich in diesem Moment gebückt hätte? Wenn sie seinen Kopf getroffen hätte?
    Er starrte in den Spiegel. Er drückte auf die blauviolette Wunde und fühlte den Schmerz. Er überlegte, was er tun musste. Damit die Frau für ihre Schuld bezahlte.

17
    Maria saß in einem Ledersessel auf der Terrasse und nippte an ihrem Champagnerglas. Männer und Frauen tanzten, tranken, räkelten sich auf den Polstern. Die dünnen Mädchen saßen am Rande des Pools, hielten ihre nackten Füße ins Wasser und aßen Canapés mit Garnelen. Eléni hatte, unter viel Lachen und Neugier, ihren Kopf in den Nacken gelegt, Champagner aus einem Glas in die Luft gestoßen und die Fontäne mit ihrem Mund aufgefangen, ohne einen Tropfen zu verschütten. Sie hatte Kusshände an die applaudierenden Gäste verteilt. Kurze Zeit später war sie mit einem rotwangigen Mann in einem grünen Anzug die Treppe hinaufgestiegen und in einem der oberen Räume verschwunden.
    »Vertrauen Sie mir. Sie werden es nicht bereuen«, hatte er gesagt.
    Die Frau mit dem kastanienbraunen Kurzhaarschnitt hatte Yánnis weggezerrt. Jetzt saßen sie zusammen auf der Chaiselongue neben dem Kamin. Sie zupfte Blätter von einem Bonsai, kitzelte seine Nase. Leckte die Nase mit ihrer Zungenspitze ab. Kitzelte sie wieder mit dem Bonsaiblatt. Ihre Augen waren nur noch Pupillen. Yánnis lachte wie frisch verliebt. Doch über die Schulter der Frau sah er herüber zu Maria.
    Er hatte ihr ein Angebot gemacht. Er bot Geld für eine Information. Er hielt die Geschichte einer Touristin, die sich zur falschen Zeit an den falschen Ort verirrt hatte, für leeres Gerede. Was hatte Eléni ihm über sie erzählt? Maria konnte ihm kein Geld aus der Tasche ziehen für eine Information, die sie nicht hatte. Oder doch? Sie konnte sagen, sie brauchte eine Anzahlung. Sie konnte behaupten, ihre Quelle verlange Sicherheit. Nicht fair, aber möglich.
    »Wo ist der Koffer?«
    Seine Frage machte nur Sinn, wenn er den Inhalt des Koffers kannte. Eléni hatte vermutlich einen Verdacht. Sogar Kommissar Gerakákis hatte sich auffallend für diesen Koffer interessiert. Nur Maria hatte keine Ahnung. Aber für das Vertrauen einer ahnungslosen Touristin zahlte Yánnis keinen Cent.
    Sie stand auf. Sie schwankte einen Moment, sie hatte zu viel getrunken. Sie atmete tief die Nachtluft ein und fühlte sich wieder klar. Sie setzte sich, ihr Glas in der Hand, neben die Chaiselongue und beobachtete Yánnis und die Frau beim Turteln. Er biss in ihr Ohrläppchen. Flüsterte etwas in die Ohrmuschel. Sie kicherte und schüttelte den Kopf. Er drückte mit der Hand ihr Kinn, spielerisch, als solle sie den Mund aufmachen, als wolle er sie zwingen. Sie presste die Lippen aufeinander. Er zeigte drohend den Daumen. Sie leckte über die Kuppe und verschloss wieder die Lippen. Sie prustete los. Er tat ebenfalls, als amüsiere er sich. Aber Maria sah deutlich, es machte ihm keinen Spaß. Ihm war die Frau zuwider. Er zwang sich zu Küssen und Gelächter. Er wollte etwas anderes von ihr.
    Die Frau sah Maria und verschluckte sich. Yánnis richtete sich auf. Der Kopf der Frau rutschte auf seine Brust, sie hustete, er gab ihr Klapse auf den Rücken.
    »Sie amüsieren sich?«, fragte er.
    »Mein erster Abend in Athen«, sagte Maria.
    »Ein Amerikaner würde sagen: Es ist mein erster Abend in Athen, und ich finde es phantastisch!«
    Die Frau verkrümmte sich in Yánnis Schoß, als müsse ihr Kopf seinen Penis bewachen. Er kraulte ihren Nacken.
    »Amüsieren Sie sich?«, fragte Maria.
    Er zuckte die Schultern. Sah in die Runde seiner Gäste, sein Blick verdüsterte sich.
    »Schauen Sie sich diese Leute an. Alles Sumpfnattern. Ich habe zu lange in den Staaten gelebt. Ich will Risiko spüren, eine Energie für Veränderung. Nicht diesen degenerierten

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