Das Pest-Gewölbe
Vivian Greyson.«
»Aha.«
»Du kennst sie?«
»Ja, sie ist die Gattin eines Verlegers, der ein bestimmtes Buch herausgebracht hat.«
Die Sprecherin kicherte. Ihr hatte meine Antwort wohl Spaß bereitet.
»Nicht nur ein Buch. Er hat die alten Rezepte nachgebraut, und er hat nicht damit gerechnet, daß die Wirkung auch über Jahrhunderte hinweg bestehen bleibt.«
»Oh, du kennst sie?«
»Sehr gut sogar.«
»Dann hast du sicherlich auch den Autor des Buches gut gekannt.«
Irrte ich mich, oder schimmerten die Augen tatsächlich für eine winzige Sekunde heller auf. »Ja, ich kannte ihn gut. Ich kannte den großen Seher Nostradamus, denn ich bin oft genug an seiner Seite gewesen, auch wenn er mich immer versteckt und meinen Namen geheimgehalten hat. Aber es gab mich, und diesmal werde ich mich in Erinnerung bringen.«
»Wer bist du denn, daß man dich verstecken mußte?«
»Ich bin Cosima!«
Mit diesem Namen konnte ich nicht viel anfangen. Mozarts Cousine hatte zwar Cosima geheißen, es gab auch eine Cosima Wagner, aber die Cosima aus dem Umfeld des Sehers Nostradamus war mir bisher kein Begriff gewesen. Da hatte ich wieder etwas dazugelernt.
»Wenn du bei ihm geblieben bist, hast du auch von ihm gelernt.«
»Ja, das habe ich.«
Ich räusperte mich und tat so, als müßte ich erst eine Weile nachdenken.
»Mit Nostradamus habe ich mich ebenfalls beschäftigt, das will ich schon zugeben. Ich weiß auch, daß Frauen in seinem Leben eine Rolle gespielt haben, aber es wurde immer nur von einer Katharina von Medici gesprochen und überliefert, sie war doch die Person, die ihn gefördert hat, denke ich mal.«
»Diese Hure!«
Da brannte etwas. Auch nach so langer Zeit. »Warum Hure? Haßt du sie? Er hat durch sie viele Freiheiten bekommen. An ihrem Hofe hat er ungestört arbeiten können.«
»Das stimmt. Diese Medici hat sich schon immer zu ihm hingezogen gefühlt. Aber er war nicht der einzige Astrologe oder Wahrsager, den sie sich hielt. Es gab auch noch einen anderen, der mächtig war und sich mehr mit der Zauberei beschäftigt hat. Er hießt Ruggieri und war ein Gegenspieler des Nostradamus. Er mochte nicht, daß die Medici Nostradamus bevorzugte, und er hatte sich gerächt. Er war ein mächtiger Intrigant, er hat auch von mir erfahren und es der Medici zugetragen.«
»Was tat sie?«
»Sie ließ mich gefangennehmen. Aber sie hat dabei nicht bedacht, daß mir Nostradamus schon längst etwas überlassen hat. Es war die Kosmetik, die er nach alten Geheimrezepten hergestellt hat. Die Salbe, die Creme, die ich mir auf meine Haut rieb. Ich tat es heimlich, als man mich in ein anderes Land brachte. Man hatte mir erzählt, daß in London die Pest wütete, und so wurde ich abgefangen, als ich das Schiff verließ, und in das Pestgewölbe zu all den Toten gestoßen. Genau hier hinein, wo wir jetzt sind. Ich wandelte unter den Sterbenden, ich habe ihre Schreie gehört, ihr Stöhnen, und ich fühlte mich selbst wie eine lebende Leiche. Einmal bekam ich Besuch. Ruggieri hatte es geschafft, hereingelassen zu werden. Er kam verhüllt, sein Kopf und sein Körper waren von einem Tuch umwickelt. Ich habe ihn auch nur an seinen Augen erkannt und natürlich an seiner Stimme, in der ein großer Triumph mitschwang. Er berichtete mir, daß er am Hofe der Medici ebenso angesehen war wie Nostradamus und daß man von mir nicht mehr reden würde. Er wünschte mir die Pest an den Hals, und ich bekam sie auch. Ich wurde sehr schnell krank hier unten. Ich konnte mir die Haut vom Körper lösen. Wenn du mich anschaust, siehst du noch die Löcher, die zurückgeblieben sind, aber ich hatte mich zuvor ja mit der Salbe eingerieben. So konnte ich nicht sterben. Ich löste meine Haut nur ab. Ich wurde zu einer lebenden Pesttoten.« Sie kicherte über den Widersinn an sich. »Es gelang mir, mich zu verstecken. Ich lebte ja, ich hatte Zeit, viel Zeit, und ich wußte, daß irgendwann einmal die Rezepte des Nostradamus wieder auftauchten. Man würde sie ausprobieren, und man würde nicht wissen, was es damit für eine Bewandtnis hat. Vivian Greyson tat es als erste, weitere folgten, ich habe sie hier gesehen und es werden noch mehr sein, die sich zu mir zurückziehen. Ich bin die Königin der Pesttoten, ich habe in diesem Gewölbe gewartet, und ich sehe jetzt, daß es nicht umsonst gewesen ist.«
Sie hatte mir viel gesagt, ich kannte die Zusammenhänge, nur war es noch zu wenig. Es ergab keinen Sinn, vor allen Dingen erklärte das nicht das
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