Das Pestkind: Roman (German Edition)
prunkvoller werden als das heute.«
Marianne blickte sich um.
Noch mehr Aufwand? Sie empfand das hier schon als prunkvoll.
»Ach, jetzt gehen uns die Bänder aus«, sagte eine weitere Dame, die den hübschen Namen Elise trug und Marianne sehr sympathisch war. Elise war in ihrem Alter und stammte aus der Nähe von Heidelberg. Sie war etwas stiller, hatte große grüne Augen und viele Sommersprossen im Gesicht. Ihr Haar war so weißblond, wie man es oft bei kleinen Kindern sah.
Sie war mit Wilhelm von Theiss verlobt, einfacher Landadel, wie Anna ihr erklärt hatte, aber finanziell sehr gut gestellt. Die Familie war bereits seit Generationen im Weinhandel tätig.
»Ich kann neue Bänder holen«, bot sich Marianne an. »Ich brauche sowieso etwas frische Luft. Möchtest du mich begleiten, Elise?«
Das Mädchen stimmte erfreut zu und erhob sich.
Die beiden verließen das Zelt. Draußen standen überall Wagen und Karren herum. Körbe mit Äpfeln und Kürbissen wurden an ihnen vorbeigetragen. Über dem einen oder anderen Lagerfeuer steckten bereits ganze Schweine am Spieß. Knechte liefen mit geschlachteten Fasanen an ihnen vorüber, und auf einer Bank vor dem Küchenzelt saß eine Gruppe von Frauen beieinander, die Gemüse putzten und Hühner rupften.
Auch Elise atmete tief durch.
»Wie das duftet«, sagte Elise. »Ich freue mich auf heute Abend. Das Fest wird bestimmt großartig.«
Marianne nickte abwesend. Sie war auf eine Szene am Rande des Feldherrenlagers aufmerksam geworden. Zwei Wachen führten einen Mönch in ihrer Mitte und schlugen den Weg zu Anna Margarethes Zelt ein.
»Sieh nur« – Marianne deutete in deren Richtung –, »was ist denn dort los?«
Elise zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Aber das geht uns nichts an.« Sie wies nach rechts. »Wollten wir nicht Bänder holen. Die anderen warten darauf.«
Doch Marianne hörte sie schon nicht mehr. Neugierig ging sie über die Wiese und folgte der kleinen Gruppe. Der Mönch kam ihr bekannt vor.
Sie betrat Anna Margarethes Zelt. Die Männer standen mit dem Mönch vor der Frau, die diesen interessiert musterte.
Marianne trat näher heran.
Die Wachen verbeugten sich, und einer der beiden begann zu erklären, was vorgefallen war.
»Wir haben unweit vom Lager diesen Mönch aufgegriffen. Er hat versucht zu flüchten. Vielleicht ist er ein Spion des Feindes.«
Marianne betrachtete sich den Mönch genauer.
Der Mann trug eine dunkelbraune Kutte mit Kapuze, und ein einfaches Holzkreuz hing an seiner Brust. Sein Haar war bereits ergraut, und tiefe Falten lagen um seine warmen braunen Augen. Er war kein Kapuzinermönch, das erkannte Marianne, doch sie kannte ihn, dessen war sie sich sicher.
Anna Margarethe musterte den Mönch skeptisch. Er kam ihr nicht wirklich gefährlich vor. Allerdings konnte man bei den Katholischen nie wissen, was sie im Schilde führten.
»Sprich, Mönch«, forderte sie ihn auf, »was wolltet Ihr in der Nähe des Lagers?«
Der Mann sah Anne Margarethe offen an.
»Ich bin nur durch Zufall in Eure Nähe gekommen«, versuchte er zu erklären. »Ich bin auf dem Nachhauseweg zum Kloster am Heiligenberg, welches nicht mehr weit von hier liegt.«
Die Augen des Mannes wanderten von Anna Margarethe zu Marianne und blieben an ihr hängen.
Und da fiel es ihr plötzlich wieder ein. Der Mönch war ihr im Kloster begegnet. Er war ein Freund von Pater Franz.
»Wie ist Euer Name?«, fragte Anna Margarethe.
»Maurus Friesenegger.«
Marianne atmete erleichtert auf. Jetzt war sie sich sicher. Sie kannte ihn. Sie berührte sanft den Arm der Frau und zog sie zur Seite.
»Der Mann spricht die Wahrheit. Ich kenne ihn. Er war oft zu Gast bei uns im Kloster. Er ist der Abt von dem genannten Kloster. Bitte tu ihm nichts.«
»Und da bist du dir ganz sicher?«, fragte Anna Margarethe überrascht.
»Ganz sicher. Ich bürge für ihn.«
Anna Margarethe nickte und wandte sich wieder dem Mönch zu.
»Meine Dame« – sie deutete auf Marianne – »bürgt für Euch. Sie sagt, sie kennt Euch. Seid also heute für eine Weile unser Gast.« Der Mönch verneigte sich dankbar vor ihr.
Anna Wrangel wandte sich ab. Ihre Amme war näher getreten und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sofort verließ sie das Zelt, und auch die Wachen zogen murmelnd von dannen. Marianne blieb zurück.
Maurus Friesenegger trat näher.
»Grüß Gott, Marianne. Welch eine Freude, Euch wohlbehalten hier zu treffen. Habt Dank für Euer Wort.«
»Grüß Gott, Hochwürden«,
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