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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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ohne jede Freude. Nicht wahr, Elisabeth?«
    Die Sächsin zuckte zusammen, nickte dann aber eifrig.
    »Immerhin hat Euer Gemahl die Kaiserlichen vertrieben. Das muss gefeiert werden – und wenn dann auch noch eine Hochzeit ansteht.«
    Anna Margarethes Augen begannen zu leuchten.
    »Ich sehe es schon vor mir. Ein warmer Oktobertag, goldene Blätter und dich, meine liebe Marianne, in einem himmelblauen Traum aus Taft und Seide. Es wird wunderbar.«
    Sie tätschelte Mariannes Oberschenkel. »Und natürlich kümmert sich meine Schneiderin persönlich um das Kleid. Gleich, wenn wir unser Lager aufgeschlagen haben, soll sie mit der Arbeit beginnen.«
    Sie klatschte vor Freude in die Hände.
    »Ach, du wirst so bezaubernd aussehen. Und dann haben wir die schreckliche Zeit hier in Dingolfing schnell wieder vergessen, das verspreche ich euch.«
    Marianne blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus.
    *
    Marianne stand auf einem Stuhl, überall um sie herum lagen Stoffbahnen von unterschiedlicher Qualität und Farbe, und sie selbst steckte in einem wahren Wust aus hellblauer Seide, durchsichtigem Tüll und feinster Spitze. Annas Schneiderin, die Dorothea hieß und aus dem Böhmischen stammte, begutachtete sie immer wieder. Die kleine, zierliche Frau hatte überall an ihrem Körper Stecknadeln verteilt. Sie trug sie zwischen den Zähnen, in ihrem Haar, selbst an ihrem Gürtel hingen welche, neben großen und kleinen Scheren, Bändern und Schleifen. Ihre Stimmung wechselte im Sekundentakt. Von freudig lächelnd, bis skeptisch prüfend oder kopfschüttelnd irritiert war alles dabei. Marianne hatte noch nie einen Menschen gesehen, der seinen Gesichtsausdruck in so kurzer Zeit so oft ändern konnte.
    Marianne kam sich seltsam dabei vor, denn Anna Margarethe und drei weitere Damen standen um sie herum.
    Sie wurde begutachtet, drehte sich im Kreis, hob die Arme oder stand still, je nachdem, was gerade gefragt war.
    »Ich denke, die Schleppe kann ruhig ein wenig länger sein.« Anna Margarethe ging um Marianne herum.
    »Immerhin heiratet sie ja nicht irgendjemanden, sondern den Bruder des Generals.«
    Die Schneiderin nickte.
    »Wir könnten an den Rändern auch noch belgische Spitze anbringen.«
    Sie hielt eine Rolle feinste Spitze in die Höhe.
    »Ja, das würde passen. Dann muss die Spitze aber auch noch in ihren Schleier«, wies Anna Margarethe die Schneiderin an.
    »Aber gern. Soll dieser in derselben Farbe wie das Kleid gehalten sein?«
    »Aber natürlich«, erwiderte Anna Margarethe entrüstet. »Das helle Blau wird wunderbar zu ihrem schwarzen Haar aussehen und ihre hübschen Augen betonen.«
    Alle Damen im Raum beeilten sich, bestätigend zu nicken. Marianne fühlte sich immer unwohler. Irgendwie war ihr das alles zu viel, und sie fragte sich, ob sie in dem aufgerüschten Kleid, das hier entstand, überhaupt noch laufen konnte. Sie versuchte, ihre Bedenken anzubringen.
    »Ist das alles nicht ein wenig zu viel? Ich meine, etwas schlichter wäre doch auch sehr hübsch.«
    Die Damen starrten sie entrüstet an.
    »Schlichter!« Anna Wrangel war entsetzt. »Meine Güte, Kind, wo denkst du hin. Du sollst doch vollkommen aussehen, an deinem großen Tag. Schlicht waren wir in Dingolfing lange genug. Wir alle werden uns fein herausputzen, da musst du als Braut natürlich am meisten strahlen. Albert wird entzückt sein, wenn er dich so sieht.«
    Die anderen Damen nickten. Marianne fügte sich seufzend. Hier hatte sie tatsächlich nichts zu sagen.
    Mehrere Diener mit Gläsern und Weinkaraffen betraten den Raum.
    »Ach, die Herren kommen ja gerade richtig«, rief Anna Margarethe, erfreut über deren Anblick, und bedeutete den Dienern, die Getränke auf einem der Tische abzustellen.
    »Auf dieses traumhafte Kleid müssen wir unbedingt anstoßen.« Sie wandte sich an Dorothea.
    »Ihr trinkt doch ein Gläschen mit uns, meine Teuerste.« Die Schneiderin nickte freudig. Normalerweise wurde ihrer Arbeit nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil.
    Marianne wurde endlich aus ihrer misslichen Lage befreit. Dorothea half ihr aus dem halbfertigen Kleid und entfernte die vielen Tüllschleier.
    Anna Margarethe reichte ihrer zukünftigen Schwägerin freudestrahlend ein Glas.
    »Auf unsere wunderschöne Braut«, rief sie.
    »Auf die Braut«, riefen auch die anderen.
    Marianne blickte leicht beschämt zu Boden. Mittlerweile fürchtete sie sich sogar ein wenig vor ihrem Hochzeitstag, obwohl sie ihn auch herbeisehnte. Sie wollte Alberts Frau werden. All ihre

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