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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Stelle im Unterholz.
    »Lass uns der Hirschspur ins Dickicht folgen. Wir könnten Glück haben, dass die Kaiserlichen vor dem Gestrüpp zurückschrecken und uns nicht folgen.«
    Die beiden liefen über die Lichtung, doch kurz bevor sie das Gestrüpp erreichten, hielt der Franzose inne und griff neben sich ins Gras. Verblüfft starrte Albert auf den Gegenstand, den er aufhob. Es war der goldene Degen seines Bruders. Carl würde niemals ohne diesen Degen irgendwohin gehen. Außer, es war ihm etwas zugestoßen.
    In diesem Moment knallte ein Schuss. Eine Kugel flog haarscharf an Alberts Kopf vorbei und traf einen Baum. Erschrocken schauten sich die beiden Männer um. Eine weitere Gruppe Kaiserlicher stand ihnen gegenüber.
    Claude ließ den Degen fallen, und sie begannen, um ihr Leben zu laufen.
    *
    Marianne hatte sich an ihren geheimen Platz am Ufer des kleinen Tümpels zurückgezogen und schaute nachdenklich über das dunkle Wasser. Hier war es seltsam still, als hätten die wenigen Büsche und Bäume, die zwischen dem Ufer und dem Rest des Lagers standen, eine dicke Mauer errichtet, die alle Geräusche fernhielt.
    Maurus Friesenegger war kurz nach ihrem Gespräch wieder aufgebrochen. Marianne hätte ihn am liebsten noch länger hier behalten. Es war so wunderbar, mit ihm zu sprechen. Er war ein Teil ihrer Vergangenheit, eines Lebens, das sie mehr und mehr hinter sich gelassen hatte, das sie jetzt aber wieder einholte.
    Sie beruhigte sich nur langsam. Frieseneggers Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf. Der alte Theo war tot und Anderl noch immer im Gefängnis.
    Sie schloss die Augen. Sie war wütend auf sich selbst, auf das Leben und alles, was sie umgab. Niemals hätte sie gehen dürfen. Noch nie hatte sie ein Versprechen gebrochen. Wahrscheinlich würde er dort sitzen, allein und voller Hoffnung, dass sie zurückkommen würde. Und was tat sie? Sie lachte und tanzte, feierte bald Hochzeit und führte ein Leben im Luxus, während er auf seinen Tod wartete.
    Ein Geräusch ließ sie aufblicken. Elise kam aus dem kleinen Kiefernhain und musterte sie besorgt.
    »Ich habe dich gesucht. Du bist nicht zurückgekommen.«
    Marianne wischte ihre Tränen ab und versuchte zu lächeln.
    »Was ist denn passiert?« Elise trat schüchtern näher. »Hat es etwas mit dem Mönch zu tun? Ich habe dich vorhin mit ihm sprechen sehen.«
    Marianne missfiel es, dass man hier nur selten unbeobachtet sein konnte. Sie wollte jetzt nichts erklären müssen.
    Elise neigte den Kopf zur Seite.
    »Du musst es mir nicht erzählen. Es geht mich ja nichts an. Ich kann auch wieder gehen, wenn du allein sein möchtest.«
    Marianne gab nach. Elise konnte ja nichts dafür.
    »Willst du dich zu mir setzen?« Sie deutete neben sich.
    Elise sah sie verwundert an, setzte sich dann aber neben Marianne ins Gras.
    Eine ganze Weile schwiegen die beiden, doch dann begann Elise zu erzählen.
    »In der Nähe unseres Landguts gab es auch so einen kleinen Tümpel. Wir sind als Kinder viel dort gewesen, besonders im Sommer. Wir haben dann immer Steine übers Wasser springen lassen und Kaulquappen gefangen. Ich hatte noch drei ältere Brüder und zwei jüngere Schwestern. Die eine der beiden war wie ein kleiner Engel. Sie hatte das gleiche hellblonde Haar wie ich, das sich in tausend Löckchen über ihre Schultern ringelte. Charlotte war fünf Jahre jünger als ich und wie ein anschmiegsames Kätzchen. Ständig war sie um mich herum und kroch nachts oft in mein Bett. Meistens versuchte ich, sie fortzuschicken, aber sie ging nicht oder kam sehr schnell wieder. Sie war ein schrecklicher Sturkopf.«
    Elise lächelte wehmütig. »Eines Nachts kam sie wieder zu mir und kroch unter meine Decke. Sie zitterte am ganzen Körper und war glühend heiß. Sofort habe ich meine Mutter geweckt, und diese hat auch gleich nach dem Medikus geschickt. Doch ihr Zustand verbesserte sich nicht. Sie hustete schrecklich und wurde jeden Tag schwächer. Ich bin in der ganzen Zeit nicht ein Mal von ihrer Seite gewichen, saß stundenlang an ihrem Krankenbett, las ihr Geschichten vor oder hielt ihre Hand, wenn sie schlief. Irgendwann an einem kalten Nachmittag, es schneite zum ersten Mal in diesem Jahr, tat sie ihren letzten Atemzug. Danach war ich tagelang nicht ansprechbar, und in meinem Bett war es eiskalt. Ständig hatte ich mich darüber geärgert, dass sie zu mir kam, und plötzlich fehlte sie mir unendlich.« Sie warf einen Stein ins Wasser. »Sie fehlt mir bis heute. Manchmal wache ich nachts

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