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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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auf und denke, sie wäre da. Mein Kätzchen, das ich verloren habe und das nie wieder zurückkommen wird.«
    Marianne sah Elise fragend an.
    »Warum erzählst du mir davon?«
    »Weil ich den Schmerz in deinen Augen erkennen kann. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, steht er darin geschrieben. Du kannst noch so sehr versuchen, glücklich auszusehen. Diese Art von Kummer wird sich nie vertreiben lassen, aber er wird irgendwann erträglich.«
    *
    Einige Stunden später stand Marianne allein vor dem Spiegel in ihrem Zelt. Sie trug ein weinrotes, tief dekolletiertes Kleid, das an den Ärmeln und am Saum mit rosafarbener Spitze besetzt war. Ihr Haar war kunstvoll aufgesteckt, und kleine Glasperlen funkelten darin. So ein wunderschönes Kleid hatte sie noch nie getragen. Anna Wrangel hatte es ihr geschenkt. In ihren Kleidertruhen gab es eine Menge solcher Kleider. Wahrscheinlich würde sie selbst auch bald ein gutes Dutzend davon besitzen. Sie atmete tief durch und kniff sich in die Wangen, damit diese etwas Farbe bekamen. Ihre Augenbrauen waren mit einem Stück Kohle nachgezogen worden, was sie noch blasser erscheinen ließ. Es war bereits später Nachmittag, draußen brach langsam die Dämmerung herein.
    Die Männer mussten bald zurückkommen. Marianne sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers nach Albert. Er würde ihr zuhören und sie verstehen. Doch bis sie ihm von dem Besuch des Mönchs und den Vorgängen in Rosenheim in Ruhe erzählen konnte, würde es gewiss später Abend werden. Sie seufzte.
    Elise betrat das Zelt. Sie trug ebenfalls bereits ihre Abendrobe. Das zartrosafarbene Kleid betonte ihre Zierlichkeit und stand ihr hervorragend.
    »Carl Wrangel und Turenne sind eben zurückgekommen.«
    Marianne drehte sich erfreut zu ihr um.
    »Na endlich, dann kann das Fest ja beginnen.«
    Elise schüttelte den Kopf.
    »Sie sind im Wald in einen Hinterhalt geraten, von den Bayerischen.«
    Marianne riss erschrocken die Augen auf und stürmte nach draußen.
    Die beiden Generäle standen in der Mitte des Platzes. Anna Margarethe eilte ebenfalls aus ihrem Zelt und stürzte auf ihren Mann zu. Suchend blickte sich Marianne um. Doch weder Albert noch Claude, noch sonst irgendwelche Soldaten waren zu sehen. Wrangel und Turenne schienen allein zurückgekommen zu sein.
    Ohne auf die Etikette Rücksicht zu nehmen, stürzte sie, von Angst erfüllt, auf die beiden Generäle zu.
    »Wo ist Albert?«, rief sie.
    Carl Wrangel sah sie irritiert an. Doch dann senkte er den Blick und antwortete schulterzuckend:
    »Das weiß ich leider nicht.«

D ie Kerze auf dem Nachttisch war bereits weit heruntergebrannt. Schatten tanzten über die weiß getünchten Wände der kleinen Kammer. Margit schlief unruhig, warf den Kopf hin und her und redete unverständliches, wirres Zeug.
    Pater Franz saß an ihrem Bett und blickte nachdenklich auf das Gesicht des Mädchens. So sehr hatte er gebetet, dass sie aufwachen würde. Gott hatte ihn erhört, sie war tatsächlich zu sich gekommen, aber das Schicksal meinte es wieder nicht gut mit ihm, denn sie konnte sich an nichts erinnern. Nicht einmal ihren eigenen Namen wusste sie. Der Medikus meinte, dass die Erinnerungslücke nur vorübergehend wäre, aber langsam gab Pater Franz es auf, darauf zu hoffen, dass ihr alles wieder einfiele.
    Leise betrat Pater Johannes den Raum. Er hatte seinen Freund hier vermutet. Pater Franz saß oft stundenlang an Margits Krankenbett, erzählte Geschichten, las aus der Bibel vor oder versuchte, ihre Erinnerungen durch Beschreibungen der Umgebung zurückzuholen.
    Johannes blieb neben seinem Freund stehen und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Zwei reisende Mönche sind soeben eingetroffen. Sie berichten davon, dass Wrangel inzwischen in der Nähe von München lagert und auf der Jagd von dem kaiserlichen Reitoberst Johann von Werth überrascht worden ist. Die Kaiserlichen haben die Schlacht gewonnen. Hunderte Gefangene sind in einem großen Festzug in München vorgeführt worden. Nur Wrangel muss ihm entkommen sein.«
    Pater Franz schüttelte den Kopf.
    »Hoffentlich geht es Marianne gut. Es ist so schrecklich, nichts zu wissen. Wenn ich ihr doch wenigstens schreiben könnte.«
    Pater Johannes setzte sich neben ihn auf die Bettkante.
    »Was würdest du ihr denn berichten? Davon, dass es für Anderl nur noch wenig Hoffnung gibt? Sie würde krank werden vor Sorge. Es ist besser, wenn sie es nicht erfährt. Vielleicht ist sie inzwischen glücklich, das wissen wir doch

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