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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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sich voller Angst, und er wurde blass. Alois zog die Augenbrauen hoch.
    »Seltsam, der sah aus, als wäre ihm der Teufel persönlich begegnet.«
    Marianne konzentrierte sich auf ihre Schritte. Sie wollte die Menschen nicht ansehen, es fehlte ihr die Kraft, deren Verachtung auszuhalten.
    Sie erreichten das Mittertor. Dicht gedrängt standen die Leute darin, an ein Durchkommen war nicht zu denken. Hilflos blieben die beiden in der Menge stecken. Alois Greilinger reckte sich ungeduldig. »Was ist denn da vorn los? Warum sind so viele Leute hier?«
    Ein altes Weiblein, das ein wollenes Stricktuch trug, wandte sich zu ihm um und sah ihn missbilligend an.
    »Aber das weiß doch jeder. Der dumme Junge, dieser Anderl, wird heute endlich hingerichtet. Wurde auch Zeit.«
    Marianne erstarrte. Anderl, er wurde hingerichtet, heute, jetzt und hier. Aber das konnte doch nicht sein. Er war unschuldig! Pater Franz hatte es doch versprochen, hatte gesagt, dass alles gutgehen würde. Es durfte einfach nicht sein. Sie war doch hier, sie war zurückgekommen.
    Panisch riss sie sich von Alois’ Arm los und kämpfte sich durch die Menge.
    Manche Menschen erkannten sie und wichen vor ihr zurück, erbleichten genauso wie der Torwächter.
    »Nein!«, rief Marianne immer lauter. »Das dürft ihr nicht. So hört mich doch an.«
    Sie erreichte den Marktplatz. Anderl stand bereits auf dem Schafott, auf einem Hocker, die Schlinge um seinen Hals.
    Neben ihm standen der Büttel und der Henker. Sie konnte es nicht fassen. Dieser Mann sollte gewinnen, und die Lüge und falsche Anklage sollte die Oberhand behalten? Das durfte einfach nicht sein!
    »Anderl!«, rief sie und schob sich durch die Menge. »Anderl, ich bin es, Marianne! Hörst du mich!«
    Der Junge blickte auf.
    Die Leute starrten sie erstaunt an und wichen zurück. Einige Frauen legten die Hände auf den Mund, andere begannen zu schreien.
    Marianne kümmerte das alles nicht, denn sie sah nur Anderl und fühlte grenzenlose Wut.
    Sie erreichte das Schafott und kletterte die wenigen Stufen hinauf.
    August Stanzinger erbleichte. Der Teufel persönlich war aus der Hölle gekommen, um ihn zu holen. Er strafte ihn für seine Sünden und nahm ihn mit hinab ins Fegefeuer.
    Marianne lief an ihm vorbei und klammerte sich an ihren Bruder.
    »Ich bin hier!«, flüsterte sie außer Atem. »Ich hab versprochen zurückzukommen. Jetzt ist alles gut, ich bin wieder da.«
    Anderl nickte. Tränen rannen über seine Wangen. Marianne küsste sie fort. Sie hatte alles um sich herum vergessen. Jetzt gab es nur noch ihn, ihn allein.
    Inzwischen hatten auch Pater Franz und Johannes das Schafott erreicht. Sie hatten etwas weiter hinten gestanden und eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was die Aufregung dort vorn ausgelöst hatte. Ungläubig starrte der Abt Marianne an.
    Die Wachmänner standen wie erstarrt unterhalb des Schafotts und verfolgten das makabere Schauspiel, denn keiner konnte glauben, was er dort sah: Das Pestkind war zurückgekommen.
    Der Büttel fing sich als Erster wieder. Das war nicht der Teufel, der ihm da erschienen war. Dieses dumme Mädchen würde ihm keinen Strich durch die Rechnung machen.
    Er schritt auf Marianne zu, packte sie grob am Arm und zog sie von Anderl fort.
    Sie begann laut zu schreien und um sich zu schlagen. »Lasst mich los! Das dürft Ihr nicht, hört Ihr! Ihr dürft ihn nicht hinrichten! Er war es nicht, ich kann es beweisen!«
    »Wachen!,« brüllte der Büttel. »So tut doch endlich etwas!«
    In diesem Moment erreichte auch Alois Greilinger das Schafott und eilte die Stufen hinauf.
    Marianne wehrte sich mit aller Macht, und der Büttel verlor immer mehr die Kontrolle über sie. Alois Greilinger zog Marianne von ihm weg und hielt sie fest.
    »Beruhige dich! Hör auf damit! Du machst es nur noch schlimmer!«
    »Aber er war es nicht! So hört mir doch alle zu!« Sie trat an den Rand des Schafotts.
    Die aufgebrachte Menge wich ein Stück zurück.
    »So hört doch bitte zu!«, flehte sie. »Er hat sie nicht umgebracht. Das müsst ihr mir glauben.«
    »Wer war es denn dann?«, rief plötzlich jemand aus der Menge. Die Leute wandten sich um.
    Constantin von Lichtenberg trat näher. Er hatte sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten, doch jetzt konnte er nicht anders.
    Marianne wandte sich um. Ihr Blick wurde kalt. Sie hob die Hand und deutete auf den Büttel.
    »Er hat Hedwig Thaler erschlagen.«
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    Constantin von Lichtenberg stand direkt

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