Das Pestkind: Roman (German Edition)
wieder vor die Tür setzen. Nein, nein, ich bleibe lieber hier draußen.«
Balthasar grinste.
»Ich glaube, ich werde dich vermissen. So eine unterhaltsame und gleichzeitig hübsche Begleitung werde ich so schnell nicht wiederbekommen.«
Marianne errötete und schlug ihm scherzhaft gegen das Bein.
»Aber ich bin doch eine Frau und bringe Unglück. Sei lieber vorsichtig, sonst hört dich noch der Flussgott.«
Balthasar beugte sich zu ihr hinunter und senkte seine Stimme.
»Soll mir egal sein, wenn er dich nicht mag.«
Marianne zog gespielt streng die Augenbrauen hoch und nickte zur Küchentür.
»Lass das Fredl besser nicht hören, sonst bekommst du am Ende nichts mehr zu essen.«
»Rosenheim voraus«, unterbrach plötzlich eine laute Stimme ihr Gespräch.
Sofort sprang Marianne auf und lief an die Reling. Ihr Herz schlug vor Aufregung schneller. Und tatsächlich waren der Schlossberg und die beiden Kirchtürme der Stadt zu erkennen.
Die Boote legten an der Stelle an, wo die alte Brücke früher über den Inn geführt hatte. Marianne konnte es kaum fassen. Mit Tränen in den Augen stand sie an Deck und blickte auf den Weg, der zum Inntor führte. Sie war zu Hause, endlich. Um sie herum herrschte reges Treiben. Auch andere Boote legten an, Männer liefen durcheinander, und Säcke, Kisten und Salzscheiben wurden auf Karren geladen. Seide, Damast und Leinen in vielen Farben konnte Marianne erkennen. Die Ballen wurden auf einem überdachten Wagen sicher verstaut. Große Fässer wurden über Planken gerollt, Säcke, gefüllt mit kostbaren Gewürzen, folgten. Sie blickte sich um, und es war wunderbar und einzigartig, das Treiben zu beobachten und irgendwie ein Teil davon zu sein.
»Wills du nicht zusehen, dass du fortkommst«, sagte plötzliche Fredl mürrisch hinter ihr. Sie drehte sich um.
Fredl wedelte mit den Armen.
»Mach dich endlich von Bord. Damit mich der Flussgott wieder in Ruhe lässt.«
Marianne machte Anstalten, über die Reling zu klettern. Fredl hatte recht. Was stand sie hier herum und vergeudete ihre Zeit. Sie musste sich beeilen. Das Boot schwankte leicht, als sie einen Fuß aufs Ufer setzen wollte, sie ruderte mit den Armen und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Da kam ihr eine Hand zu Hilfe.
Marianne blickte auf uns sah in Alois’ Gesicht.
»Halt dich fest, Mädchen, sonst fällst du uns am Ende noch in den Fluss.«
Er warf Fredl einen strafenden Blick zu, während er Marianne ans sichere Ufer beförderte.
»Unser Koch hat seine Manieren mal wieder vergessen.«
Fredl wischte sich die Hände an einem Tuch ab.
»Soll sich fortmachen. Höflichkeit hat niemand von mir verlangt.«
Marianne lächelte nachsichtig.
»Jetzt hat er seinen Flussgott wieder für sich.« Sie strich ihren Rock glatt und fuhr sich durchs Haar, denn sie wollte ordentlich aussehen, wenn sie über den Marktplatz lief. Ihre Hände zitterten, als sie ihren Umhang richtete. Die Leute hatten sich an ihre Abwesenheit gewöhnt. Wie würden sie reagieren, wenn sie plötzlich wieder auftauchte? Vielleicht sollte sie die Stadt meiden und über die Dörfer ins Kloster laufen, aber das war ein großer Umweg, und sie wollte möglichst schnell dorthin.
Alois erriet ihre Gedanken.
»Nervös?«
Marianne nickte.
»Das habe ich mir schon gedacht. Bist auf einmal etwas blass um die Nase.« Er blickte sich um. »Meine Männer kommen auch ohne mich eine Weile zurecht. Ich bringe dich ins Kloster. Fürs Erste ist es besser, wenn du nicht allein bleibst.«
Marianne atmete erleichtert auf.
Er reichte ihr charmant seinen Arm.
»Darf ich bitten, mein Fräulein?«
Sie hängte sich lachend ein.
Es tat gut, ihn bei sich zu haben. Gemeinsam ließen sie den Fluss hinter sich und folgten der Straße in Richtung Stadt. Marianne konnte Theos Hütte erkennen. Doch der Alte war nicht zu sehen.
Sie erreichten das Inntor, und der Torwächter staunte nicht schlecht, als er Marianne erblickte. Ihm stand vor Verblüffung der Mund offen. Marianne versuchte, ihn zu ignorieren, und klammerte sich an Alois’ Arm. Alois zog seinen Hut und grinste breit.
»Grüß Gott, Jakob. Schön, Euch wiederzusehen.«
Der Mann schüttelte seinen Kopf. Er konnte nicht glauben, was er da sah. Das Pestkind war zurück und hing auch noch am Arm von Alois Greilinger. Das konnte es doch nicht geben, mit dem Teufel musste es zugehen, jawohl, das musste es. Aus der Hölle war sie gestiegen, ausgerechnet heute. Er wich vor ihr zurück, seine Augen weiteten
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