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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Kleidertruhen von den Wagen gehoben, und die Zofen wiesen die Knechte an, wo sie die jeweiligen Habseligkeiten hinbringen sollten. Eine Gruppe Kürassiere, die an den federgeschmückten Helmen und blinkenden Panzern zu erkennen waren, stand lachend beieinander. Musketiere liefen mit ihren schweren Musketen, gefolgt von den Stückknechten, an ihr vorbei, und die Damen der Offiziere erteilten Befehle. Mit ihren feinen Kleidern und den hübsch frisierten Haaren kamen sie Marianne wie Fremdkörper zwischen dem einfachen Fußvolk vor.
    Alles wirkte wie ein großes Durcheinander und schien doch geordnet zu sein.
    In dem Getümmel entdeckte sie Helene, die Julia zeigte, welches der im Aufbau befindlichen Zelte das ihrige war.
    Eugenie lief geschäftig, einen Burschen und eine Zofe im Schlepptau, an ihr vorüber und plauderte auf Französisch fröhlich mit ihnen. Marianne musste trotz ihrer Kopfschmerzen lächeln. Eugenie war eine hübsche Frau, doch sie schaffte es, ihre Gesichtszüge so zu verziehen, dass es komisch aussah.
    Seufzend ging sie zu Helene, um ihr ihre Hilfe anzubieten.
     
    Einige Stunden später starrte Marianne ihr Spiegelbild an, das vor ihren Augen verschwamm. Ihr Kopf dröhnte, und sie hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten.
    Helene trat hinter Marianne, musterte sich selbst im Spiegel und zupfte an ihren aufgetürmten Haaren herum, die sie mit einem Seidenband zusammengehalten hatte.
    »Wir müssen uns beeilen.« Sie drehte sich um und besah sich noch einmal prüfend Mariannes Kleider.
    »Anna Margarethe hat es nicht gern, wenn wir zu spät kommen.«
    Marianne seufzte und warf ihrem Nachtlager einen sehnsüchtigen Blick zu.
    »Am liebsten würde ich hierbleiben.«
    Helene zog die Augenbrauen hoch.
    »Hierbleiben! Das ist unmöglich. Anna Margarethe würde wütend werden. Sie besteht darauf, dass wir zum Abendessen erscheinen. Auch Albert, die anderen Generäle und Offiziere werden anwesend sein. Du hast deinen Verlobten den ganzen Tag nicht gesehen, er wird beleidigt sein, wenn du nicht kommst.«
    Marianne fügte sich. Vielleicht ergab sich ja irgendwann, wenn alle dem Wein erlegen waren, die Gelegenheit, zu verschwinden.
     
    In dem großen Zelt räumten die Knechte geschäftig Fleischplatten, Teller, Gläser und Kelche ab. Ein älterer Mann, dessen Namen Marianne nicht kannte, hatte sich an die Orgel gesetzt und zu spielen begonnen, und die Damen standen plaudernd in Gruppen beisammen. In der Luft hing Zigarrenrauch, der aus einer Ecke des Zeltes kam, in der die Generäle und Offiziere Platz genommen hatten, um miteinander zu beratschlagen. Albert war ebenfalls darunter. Er hatte ihr heute kaum Aufmerksamkeit geschenkt, doch in ihrem Zustand war sie sowieso keine gute Gesellschaft. Sie war sich noch immer nicht darüber im Klaren, ob sie ihn mochte oder nicht. Neulich war er sehr nett und aufmerksam gewesen, das musste sie zugeben, aber sie war nicht dazu bereit, ihm nach einem Abend bereits Freundschaft entgegenzubringen, obwohl ihr das warme Gefühl, das sich jedes Mal in ihr ausbreitete, wenn sie seiner ansichtig wurde, etwas anderes sagte. Gelangweilt ließ Marianne ihren Blick durch den Raum schweifen. Helene und Eugenie waren nirgendwo zu sehen. Ihre Kopfschmerzen waren noch immer nicht abgeklungen, und selbst das leise Orgelspiel tat ihr in den Ohren weh.
    Zwei Damen, die die besten Jahre bereits hinter sich hatten, liefen an ihr vorbei, musterten sie beiläufig und rümpften die Nasen.
    »Warum das Bauernmädchen hier sein muss, versteht auch niemand«, sagte die eine, die, soweit Marianne wusste, mit einem Offizier verheiratet war und aus Westfalen stammte.
    »Jemand sollte Albert die Augen öffnen. So eine Dirne kann doch unmöglich seine Braut werden. Weiß der Himmel, ob das auch alles so stimmt, was sie uns weismachen will«, antwortete die andere leicht lispelnd und mit piepsiger Stimme. Ihre Augenlider waren schlaff, und tiefe Falten hatten sich um ihren Mund eingegraben.
    »Na, Mädchen, was sitzt du denn so trübsinnig in der Ecke? Lass dir von den alten Weibern nicht den Spaß verderben.«
    Ein Mann mittleren Alters setzte sich neben sie und legte ihr vertrauensvoll seine Hand auf den Oberschenkel. Sofort rückte sie ein Stück von ihm ab und blickte in Alberts Richtung. »Ich lasse mir von niemandem etwas verderben«, antwortete sie schnippisch.
    Der Mann lachte laut auf.
    »So mag ich die Mädchen. Bist nicht auf den Mund gefallen, Kleines.«
    Er versuchte, den Arm um sie zu

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