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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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ihr Knie mit voller Wucht zwischen seine Beine. Stöhnend sank er zusammen und ließ sie los.
    Sie floh in Richtung Wirtschaftsgebäude, in die Finsternis. Von Todesangst getrieben, vergaß sie jede Vorsicht und stolperte über einige kleinere Fässer, die jemand achtlos dort liegen lassen hatte, fiel der Länge nach hin und schlug hart mit dem Kinn auf. Sterne tanzten vor ihren Augen, als sie sich wieder aufrappelte. Erneut hörte sie Schritte hinter sich. Josef! Immer noch benommen, stolperte sie weiter und achtete nicht auf den alten ausgetrockneten Brunnenschacht. Mit einem lauten Aufschrei stürzte sie in die Dunkelheit und schlug hart auf dem Boden auf.

M arianne trat aus ihrem Zelt und blickte sich um. Heute zog der Feldherrenhof weiter flussabwärts Richtung Mühldorf. Wrangel gab die Belagerung Wasserburgs endgültig auf und plante, in Mühldorf den Inn zu überqueren. Um sie herum herrschte reges Treiben: Mägde packten Wäsche in große Kleidertruhen und verstauten Geschirr und Töpfe in Kisten, die Männer auf breite Karren luden; die Orgel aus dem großen Zelt, in dem sie immer zu Abend gegessen hatten, wurde von einer zehn Mann starken Gruppe nach draußen geschafft und über eine Bohle auf einen Planwagen geladen; Knechte trugen Teppiche und Holzbretter durch die Gegend und rollten Weinfässer auf bereitstehende Karren. Der ganze Platz war voller Maultiere, Pferde, Planwagen, Karren und Kutschen.
    Hinter Marianne trat Helene aus dem Zelt, die bereits seit den frühen Morgenstunden mit Packen beschäftigt war. Julia, die Magd, die Marianne das Haar aufgesteckt hatte, und noch ein weiteres der vielen namenlosen Mädchen halfen ihr dabei.
    Helene warf ihrem Schützling einen prüfenden Blick zu und schob eine Haarsträhne nach hinten, die Marianne ins Gesicht gefallen war, danach stemmte sie die Hände in die Hüften und ließ ihren Blick über das Treiben schweifen.
    »Ich mag es nicht, wenn wir weiterziehen. Das ständige Auf- und Abbauen macht mich verrückt. Nichts ist an seinem Platz, alles wird nur notdürftig aufgestellt. Ich hoffe, dass Mühldorf nicht so weit ist und wir uns dort länger aufhalten. Wenn wir Glück haben, können wir vielleicht sogar ein Haus beziehen. Ich sehne mich danach, endlich in ordentlichen vier Wänden zu schlafen.«
    Sie stampfte ungeduldig auf den Boden und reckte den Hals.
    »Hoffentlich kommen unsere Kutschen bald.«
    Marianne zog ihr wollenes Schultertuch enger um sich. Der Morgen war noch kühl, und ein unangenehmer Wind ließ sie frösteln.
    Hektisch winkend, schob sich eine blonde Frau zwischen den Wagen hindurch und steuerte auf sie zu. Marianne musste bei ihrem Anblick grinsen.
    »Guten Morgen, Mademoiselles, ist heute eine Unruhe, fürchterlich.«
    Sie griff sich theatralisch an die Stirn. Eugenie war Französin und stammte aus Turennes Lager. Sie sprach nur gebrochen Deutsch und brachte viele Wörter durcheinander.
    Sie war mit dem leitenden Unteroffizier Wrangels verlobt und reiste seitdem mit den schwedischen Damen oder denen, die sich dafür hielten, denn wirklich schwedisch war kaum eine von ihnen. Eugenie gehörte erst seit einigen Monaten zum engeren Kreis von Anna Margarethe Wrangel und versuchte verzweifelt, die deutsche Sprache zu erlernen.
    Marianne hatte die Französin auf den ersten Blick gemocht. Eugenie hatte große graue Augen, einen breiten Mund, viele Sommersprossen auf der Nase, und ihre komische Art zu sprechen brachte sie zum Lachen. Mit bayerischem Dialekt konnte die Französin allerdings noch weniger anfangen als Helene, die aus dem Badischen stammte, deshalb sprachen die beiden nur wenig miteinander und wenn, dann wild gestikulierend.
    Helene begrüßte Eugenie lächelnd.
    »Guten Morgen, Eugenie. Ich habe gehört, du reist heute mit uns.«
    Marianne sah Helene überrascht an. Davon hatte ihr noch keiner erzählt. Sofort stieg ihre Stimmung, denn mit der lustigen Französin zu reisen würde bestimmt Spaß machen.
    Eugenie fächerte sich mit der Hand Luft zu.
    »Ich habe eben erfahren. Wunderbar finde ich das.« Sie sah Marianne an.
    »Dann wir können uns besser lernenkennen, ma petite«, flötete sie und kicherte wie ein kleines Mädchen.
    Marianne wusste nicht, was eine »petite« war, aber es schien etwas Gutes zu sein, also nickte sie lächelnd.
    Genau in diesem Moment hielt eine Kutsche vor den drei Damen, und ein Uniformierter öffnete ihnen galant den Schlag.
    Helene bedankte sich höflich bei ihm und stieg ein. Marianne und

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