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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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übe r zeugt, er würde diese genauso kunstvoll ausschmücken wie die Sto f fe in seiner Hand. Deshalb forderte ich ihn eines Abends heraus, als wir ei n trächtig beieinander saßen. Er im Schneidersitz auf dem Boden unter dem Stück Leinen, das er gerade stickte, ich mit fettigen Fingern am Tisch, wo ich Haferkekse formte und zum Trocknen vor dem Feuer auffädelte.
    »Nein, Mistress, ganz und gar nicht, im Gege n teil. Schließlich will ich Sie nicht beleidigen.«
    Darüber lachte ich und erklärte ihm, wer wissen möchte, wie es in der Welt zugeht, müsse sich auf eine nicht allzu nette Wahrheit gefasst machen. Vie l leicht habe ich ihn zu sehr in diese Richtung g e drängt, vielleicht war aber auch der zweite Becher meines selbst gebrauten guten Bieres da r an schuld, das ich ihm einschenkte. Jedenfalls le g te er mit einer Geschichte los, wie der König ei n mal verkleidet in ein Hurenhaus ging und dort gründlich von Tasche n dieben ausgenommen wurde. Mister Viccars war überrascht, als ich darüber lachte und zu ihm meinte, hoffentlich hätte sich die fragliche Dame mit einer stolzen Summe aus dem Staub gemacht, denn das hätte sie sich mit ihren Diensten an so einem Kerl redlich ve r dient.
    »Sie tadeln sie nicht, weil sie ein Leben in Lust und Ausschweifung gewählt hat?«, erkundigte er sich mit gespieltem Ernst und zog die Augenbra u en hoch.
    »Schon möglich«, erwiderte ich, »aber ehe ich e i nen Schuldspruch fälle, wüsste ich gerne, welche Möglichkeiten sie in jener harten Welt hatte, die Sie mir beschrieben haben. Wer in der Gosse e r trinkt, zerbricht sich vermutlich in erster Linie den Kopf übers Ertrinken und nicht über den Gestank.« Vie l leicht war meine Bemerkung zu offen, denn was er nunmehr aus den Gedichten des königlichen Lie b lingspoeten, des Earls von Rochester, zitierte, sch o ckierte mich so sehr, dass ich noch immer den Gro ß teil der Zeilen weiß. George Viccars war ein guter Schauspieler. Bevor er mir die Verse aufsagte, äffte er ein geckenhaftes Gri n sen nach und änderte seine sanfte Stimme in ein vornehmes Gewiehere:
     
    »Um elf aus dem Bett, zum Diner um zwei,
    Vor sieben besoffen, und dann, eideidei,
    Holt mir die Hure. Doch aus Angst vor der Fo t ze
    Fick ich die Hand ihr und in den Schoß ich kotze …«
     
    Weiter ließ ich ihn nicht aufsagen. Ich legte die Hä n de über die Ohren und entschuldigte mich auf der Stelle. Gewiss ist es mir zuwider, andere Me n schen abzuurteilen, und doch fällt es mir schwer zu gla u ben, dass sich die Adeligen und Vornehmen, die sich so viel auf ihre Überlege n heit über uns zugute halten, so widerwärtig b e nehmen können, dass im Vergleich dazu die Miesesten von uns wie Engel wirken. Als ich später in meinem Zimmer zwischen meinen Kle i nen, die sich neben mir zusammengerollt hatten, auf der Pritsche lag, bedauerte ich mein Verhalten. E i gentlich wollte ich doch unbedingt über Orte und Leute Bescheid wissen, die ich nie persönlich zu G e sicht bekommen würde. Deshalb befürc h tete ich jetzt, Mister Viccars würde mich für derart prüde ha l ten, dass er nicht mehr offen mit mir spr ä che.
    Und tatsächlich wirkte der arme Mann am näch s ten Tag ganz betreten und befürchtete, er habe mich unwiderruflich beleidigt. Daraufhin erklärte ich ihm, Wissen an und für sich sei nichts Böses, das habe mir unser Herr Pfarrer persö n lich erzählt. Nur die Art und Weise, wie jemand damit umgeht, könne seine Seele in Gefahr bringen. Ich äußerte meine Dankba r keit dafür, dass mir Einblick in den Zustand der höchsten Kreise unseres Landes gewährt worden war. Und noch dankbarer wäre ich, wenn ich weitere derartige Gedichte zu hören bekäme. Sei es denn nicht recht und billig, wenn sich alle loyalen Unte r tanen Seiner Majestät bemühten, es dem König gleichzutun? Damit zogen wir das Ganze ins Scher z hafte, und während der Frühling langsam dem So m mer wich, wurde unser Umgang immer selbstve r ständlicher.
    Alexander Hadfield hatte aus London einen Ballen Stoffe bestellt. Als das Paket eintraf, herrschte große Aufregung, wie es eben immer ist, wenn Waren aus der Stadt ankommen. Schließlich wollten viele im Dorf unbedingt wi s sen, welche Farben und Schnitte man derzeit in der Stadt trägt. Weil das Paket feucht ankam – es hatte die letzte Wegstrecke in einem o f fenen Ochsenkarren ungeschützt im Regen zurückg e legt –, bat Alexander Hadfield seinen Gehilfen, sich um das Trocknen zu kümmern. Also zog

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