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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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ausgeprägten Gesichtszügen bereits unterscheiden kann. Ich drückte mein G e sicht in ihren Nacken und atmete ihren Hefegeruch ein. Gott warnt uns, wir so l len kein irdisch Gut mehr lieben als Ihn, und doch erweckt Er im Herzen einer Mutter eine so glühende Zuneigung zu ihren Kindern. Es ist mir unbegrei f lich, wie Er uns nur so hart prüfen kann.
    Drunten fachte ich die Glutbrocken an, bis das Feuer wieder brannte, und ging dann nach dra u ßen zum Brunnen, um die tägliche Wasserration zu h o len. Ich setzte einen großen Kessel aufs Fe u er und goss mir selbst eine Schüssel voll ein, um mich zu waschen, sobald es nicht mehr ganz so kalt war, wie es aus der Erde kam. Nachdem ich noch mehr h e raufgezogen hatte, schrubbte ich die Sandsteinpla t ten. Während sie trockneten, w i ckelte ich mich in mein Tuch, nahm Suppe und Brot i n den Küchenga r ten hinaus, wo es bereits hell wurde, und schaute zu, wie sich der Himmel am Rande rosig färbte und die Nebelschwaden von den beiden Flüssen aufstiegen, die unseren Weiler ei n schließen. Von unserem Dorf hat man eine schöne Aussicht, und an jenem Morgen lag lehmig-schwerer Sommerduft in der Luft. Genau der richtige Morgen, um über einen neuen A n fang nachzusinnen. Beim Anblick eines Braun kehlchens , das einen Wurm als Futter für seine Jungen hera n schleifte, kam ich ins Grübeln. Sol l te auch ich mich auf die Suche nach jemandem machen, der mir beim Aufziehen meiner Buben half?
    Sam hatte mir zwar die Kate samt Schafhürde hi n terlassen, aber als man seine Leiche aus der Grube brachte, wurde sein Bergrecht noch am selben Tag gestrichen. An diesem Tag erklärte ich ihnen, sie müssten nicht drei, sechs oder neun Wochen warten, bis sie das erneut tun könnten, da ich weder die ei n gestürzten Wände abstützen konnte noch Geldmittel besaß, um dies von jemand anderem machen zu la s sen. Jetzt gehört das Flöz Jonas Howe. Da er ein g u ter Mensch und ein Freund von Sam ist, hat er das Gefühl, er hätte mich betrogen, obwohl ich wirklich nicht weiß, wieso. Man kann wohl kaum von Betrug reden, wenn hier seit Urzeiten ein striktes Gesetz gilt, dass niemand eine Grube behalten darf, wenn er nicht binnen drei Schichten einen Trog Blei fö r dern kann. Er meinte, er würde meine Buben z u sammen mit seinen eigenen zu Knappen machen, sobald sie im richtigen Alter seien. Obwohl ich ihm für sein Versprechen dankte, war dies nicht ehrlich gemeint. Ich hoffe inständig, sie nicht in jenem Maulwurfsl e ben zu sehen, wo sie an Felsen nagen und Wasse r einbrüche und Feuer und ei n stürzende Schächte fürchten müssen. Da war das Schneiderhandwerk doch aus ganz anderem Garn gestrickt. Das würde ich sie mit Freude lernen lassen. Außerdem war George Viccars ein guter Mensch mit rascher Au f fassungsgabe. Ich genoss seine Gesellschaft. Und noch eines war gewiss: Seine Berührung hatte mich nicht abgestoßen. Sam hatte ich aus weit geringeren Gründen g e heiratet. Andererseits war ich auch keine fün f zehn mehr, und Entscheidungen ließen sich nicht mehr unbesonnen treffen.
    Nach meinem Frühstück suchte ich unter den Sträuchern ein paar Eier, eines für George Vi c cars, das andere für Jamie. Meine Hühner sind wide r spenstig und werden nie auf ihren Stangen legen. Dann ging ich wieder ins Haus, um für das morgige Brotbacken Teig zu kneten. Die restlichen Dinge b e schloss ich, mir für den Nachmi t tag aufzuheben, und begab mich wieder nach oben, um Tom an die Brust zu legen, damit ihn Jane Martin bei ihrer Ankunft mit vollem Bauch vorfände. Wie erhofft, regte er sich kaum, als ich ihn hochhob. Zur Begrüßung starrte er mich nur einmal lange an, ehe er die Augen wieder schloss und zufrieden zu saugen begann.
    Mein frühes Aufstehen hatte zur Folge, dass ich weit vor sieben Uhr im Pfarrhaus war. Und doch b e fand sich Elinor Mompellion bereits in ihrem Garten, wo sich neben ihr ein hoher Haufen abg e schnittener Äste türmte. Im Gegensatz zu den meisten feinen Damen zauderte Mistress Mompellion nicht, mit e i genen Händen zuzupacken. Ganz besonders liebte sie ihre Gartenarbeit, sodass man sie nicht selten wie eine Putzfrau mit Dreckspuren im Gesicht antraf, weil sie achtlos Haarsträhnen zurückstrich, die sich beim Graben und Jäten g e löst hatten.
    Mit fünfundzwanzig besaß Elinor Mompellion die zerbrechliche Schönheit eines Kindes. Sie ha t te eine blasse Perlmutthaut, die so dünn war, dass man an ihren Schläfen das Blut in den Adern p o chen

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