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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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schnell es ging, die meisten aber blieben und gi n gen müde und benommen ihrer Tagesarbeit nach. Außerdem hatte kaum jemand von außerhalb den Mut zu einer Reise zu uns. Gegen Sommerende wa g ten sich einige wenige Verwandte von Verstorbenen hierher, um Anspruch auf ihre Erbschaft zu erheben, aber bei den meisten war die Angst zu stark, dass die Pest sich insgeheim doch noch immer in unserem Dorf herumtreiben könnte.
    Einer der Ersten, die kamen, war Mister Holbroke aus Hathersage . Freudig begrüßte ich ihn in der Hoffnung, die Anwesenheit eines so alten Freundes würde dazu beitragen, Mister Mompellions Mela n cholie zu mildern. Aber nicht einmal ihn w ollte der Herr Pfarrer sehen und verlangte von mir, ihn sofort wieder wegzuschicken. Tag um Tag saß er in seinem Sessel, aus dem er sich nur erhob, um im Zimmer herumzulaufen. Seine Trauer dauerte Wochen, dann Monate, und als der Sommer langsam der Herbstzeit wich ein ganzes Vierteljahr.
    Viele Wochen suchte ich nach Wegen, ihn aufz u rütteln, indem ich ihm zum Beispiel kleine gute Ne u igkeiten brachte: die Verlobung meiner verwitweten Nachbarin Mary Hadfield mit einem beliebten Hu f schmied aus Stoney Middleton. Die schwesterliche Freundschaft, die sich allmählich zwischen der opt i mistischen kleinen Quäkerin Merry Wickford und der trübsinnigen, zerstörten Jane Martin entwickelte und für beider Seelen heilsam zu sein schien. Aber nichts von allem berührte ihn auch nur im Gering s ten.
    Ich flehte ihn an, wenigstens an sein Pferd zu de n ken, das unruhig im Stall herumscharrte. Mit dem Vorschlag, dieser oder jener würde sich vielleicht über ein Wort, einen Rat oder ein Gebet von ihm freuen, versuchte ich, ihn bei seinem Pflichtgefühl zu packen. In Wahrheit trafen nur selten Bitten um geistlichen Beistand ein. Anfänglich dachte ich, dies sei Ausdruck einer natürlichen Zurückhaltung, geb o ren aus dem Respekt für sein eigenes großes Leid. Aber dann wurde mir klar, dass ihn viele Leute im Dorf wegen der Dinge nicht liebten, die er während der langen Monate unseres Martyriums hier getan hatte. Einige gingen sogar so weit, ihm insgeheim die Schuld an ihren großen Verlusten zu geben. Für a n dere war er einfach das bittere Symbol, das ihre du n kelsten Tage verkörperte. Diese Ungerechtigkeit schmerzte mich und half mir, behutsam mit ihm u m zugehen, wenn ich an meiner Arbeit verzweifeln wollte. Vielleicht spürt er irgendwie die Gefühle der Dorfbewohner, dachte ich mir, und vielleicht ve r stärkt das seine Melancholie.
    Und doch verzweifelte ich manchmal, obwohl ich versuchte, d ie Hoffnung nicht aufzugeben. Egal, was ich sagte, egal, ob ich meine Bitten sachte oder mit Nachdruck formulierte, seine einzige Antwort war immer wieder dasselbe hilflose Achselzucken. Als wollte er sagen, er sei diesbezüglich zu keinem Ha n deln, zu keiner Empfindung fähig. All seine früheren geistigen und körperlichen Kräfte schienen langsam, aber sicher zu versickern. Und so ging es weiter, j e der Tag so leer und still wie der vorige.
     
    Dann kehrten die Bradfords zur Zeit der Apfeler n te ins Dorf zurück. Ich habe bereits geschildert, wie meine Begegnung mit Elizabeth Bradford verlief. Wie ihre Forderung, er solle ihrer leidenden Mutter beistehen, erneut das ganze Ausmaß seines Zorns entfachte, den er damals empfunden hatte, als diese Familie von hier geflohen war und ihre Pflichten vernachlässigt hatte. Und auch das habe ich b e schrieben: wie mein Versuch scheiterte, ihm Trost zu bringen, und er die Bibel zu Boden warf.
    Es fiel mir sehr schwer, nicht wegzulaufen, nac h dem ich die Tür zu seinem Studierzimmer geschlo s sen hatte. Wo er mich am Unterarm gepackt hatte, zeichnete sich eine grellrote Druckstelle ab. Ich war wütend über mich selbst, aber auch sehr verwirrt. Durch die Küchentür verließ ich das Pfarrhaus und ging instinktiv Richtung Stall.
    Bevor er die Bibel hatte fallen lassen, hatte er jene wunderschönen Psalmworte fast gezischt:
     
    Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Wei n stock
    d rinnen in deinem Hause
    d eine Kinder wie Ö l zweige um deinen Tisch her …
     
    Man hatte seine Frau vor seinen Augen gefällt. Me i ne Olivenzweige hatte die Braunfäule zerstört. W a rum? Seine stumme Frage dröhnte in meinem Sch ä del. Schon zu viele schlaflose Nächte hatte mich g e nau dieses Warum gequält. Aber dass auch er sich diese Frage stellen sollte … Mit ihrer Bitte um Ve r gebung sollte sie sich unmittelbar an Gott wenden …

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