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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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setzte es keine Hiebe, weil ich mich vor meinen Aufgaben g e drückt hatte. Nach einem stummen Blick auf die Buchstaben, an denen ich mich versucht ha t te, fuhr er sich mit der dreckigen Faust übers Sto p pelkinn und ging seines Weges.
    Erst später, als mich mehrere andere Dorfkinder deswegen neckten, erfuhr ich, dass mein V a ter an besagtem Tag sogar in der Hauertaverne mit mir g e prahlt und gesagt hatte, er wünschte sich das Geld, um mich zur Schule gehen zu la s sen. Dies war leicht dahergeredet. Da es in Dö r fern wie unserem keine Schulen gab, nicht einmal für die Buben, würde er für diese Prahlerei nie einstehen müssen. Und doch wurde mir bei dieser Mitteilung ganz warm ums Herz, und die Neckereien der Kinder waren fast u n wichtig. Noch nie hatte mein Vater mich gelobt. Nun erfuhr ich, dass er mich für schlau hielt. Vielleicht hatte er ja Recht. Ich wurde kühner und murmelte bei me i ner Arbeit Psalmenfetzen oder Sätze aus der Sonntagspredigt vor mich hin, was als reiner Ohre n schmaus gedacht war, mich aber unverdie n termaßen in den Geruch religiösen Eifers brachte. Und dieser Ruf führte dazu, dass man mich für eine Stellung im Pfarrhaus empfahl. Damit öffn e te sich genau jene Tür zum heiß ersehnten wa h ren Lernen.
    Binnen eines Jahres nach ihrer Ankunft hatte mir Elinor Mompellion die Buchstaben so gut beig e bracht – leider blieb meine Handschrift u n schön –, dass ich nur wenig Mühe hatte, fast alle Bände ihrer Bibliothek zu lesen. Oft kam sie nachmittags bei meiner Kate vorbei, während Tom schlief, und gab mir eine Aufgabe, mit der ich mich beschäftigen musste, während s ie ihren übrigen Besuchen bei Gemeindemitgli e dern nachging. Auf dem Heimweg schaute sie dann nochmals vorbei, um zu sehen, wie ich damit zu Rande gekommen war, und um mir eventuell auf die Sprünge zu helfen. Manchmal hielt ich mitten im Unterricht inne und lachte aus purer Freude. Dann lächelte sie, denn meine Begeisterung fürs Lernen war so groß wie die ihre fürs Lehren.
    Manchmal schlichen sich leise Schuldgefühle in mein Vergnügen, da ich meiner Ansicht nach all di e se Aufmerksamkeit nur bekam, weil sie kein Kind empfangen konnte. Als sie und Mister Mompellion ganz jung und frisch verheiratet hier ankamen, be o bachtete sie das ganze Dorf erwa r tungsvoll. Wochen vergingen, dann ganze Vierte l jahre, aber Mistress Mompellions Taille blieb mädchenhaft schlank. Doch wir alle zogen Nutzen aus ihrer Unfruchtba r keit. Sie bemutterte jene Kinder, die in den übervo l len Katen nicht genug Mutterliebe bekamen; sie nahm sich viel verspr e chender Jugendlicher an, die nicht gefördert wurden; sie gab den mühselig Bel a denen Rat und besuchte die Kranken und wurde für alle unen t behrlich.
    Aber mit ihrer Kräuterkunde wollte ich nichts zu schaffen haben. Wenn eine Pfarrersfrau solch ein Wissen besitzt, ist das eine Sache, aber bei e i ner verwitweten Frau meines Standes ist das e t was ganz anderes. Ich wusste, wie rasch eine Witwe in den Köpfen der Leute zur Hexe wird. Der erste Schritt in diese Richtung geschieht meistens, wenn sie sich i r gendwie in die Heilku n de einmischt. Als ich noch ein kleines Mädchen war, hatte es in unserem Dorf eine Hexenjagd gegeben. Die Angeklagte Mem Gowdie war genau jene weise Frau gewesen, die alle wegen Heilmi t teln und als Hebamme aufsuchten. Es war ein grausames Jahr mit Missernten und vielen Fehlgeburten gewesen. Als ein merkwürdiges Zwi l lingspaar, das am Brustbein zusammengewachsen war, tot zur Welt kam, hatte man reihum von Te u felswerk zu murmeln begonnen. Die Blicke waren zur Witwe Gowdie gewandert und hatten sie zur H e xe gestempelt. Pastor Stanley erklärte sich pe r sönlich bereit, die Angeklagte auf die Probe zu stellen, und nahm Mem Gowdie allein mit aufs Feld hinaus, wo er sich viele Stunden ernsthaft mit ihr auseinander setzte. Ich weiß nicht, welchen Prüfungen er sie u n terzog, aber danach erklärte er feierlich, er habe sie j e nes Übels gänzlich unschuldig befunden, und rügte alle Männer und Frauen, die sie bezichtigt hatten. Allerdings ging er auch heftig mit Mem ins Gericht und meinte, sie habe Gottes Willen getrotzt, als sie dem einf a chen Volk erzählt hätte, sie könnten mit ihren Tees Krankheiten vorbeugen. Pastor Stanley glaubte, Gott würde Krankheiten zur Prüfung und Züchtigung jener Seelen schicken, die Er e r retten wolle. Mit jedem Versuch, diesen aus dem Weg zu gehen, würden wir uns jenen Lehren en t ziehen,

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