Das Pestzeichen
Was ist er? Ein Priester? Ein Magier? Er muss besondere Fähigkeiten haben, wenn du ihn zur Schatzsuche mitbringst. Aber das ist jetzt einerlei. Gib mir die magischen Schriften. Wir haben bereits zu viel Zeit verschwendet.« Als Susanna nichts sagte, drückte Markus die Messerspitze tief in ihre Haut und ritzte sie an.
»Gib uns die verdammten Schriften«, fluchte er.
Susanna schrie auf und spürte kurz darauf, wie ihr das warme Blut am Hals entlanglief. Sie werden mich töten , dachte sie und schloss die Augen, als eine fremde Stimme entsetzt rief: »Herr im Himmel! Was macht ihr mit der Frau?«
Susanna sah auf und erblickte einen fremden Mann, hinter dessen Rücken der Bursche mit den Flohstichen sich zu verstecken schien.
»Halt’s Maul, Thomas! Das geht dich nichts an«, sagte Jeremias, ohne sich umzudrehen. Sein Blick war starr auf Susanna gerichtet.
»Ich lasse mir von dir nicht den Mund verbieten«, wehrte sich der Mann und tippte Jeremias mit dem Finger auf die Schulter.
»Mach das nicht! Fass mich nicht mit deinen Pestfingern an«, fauchte Jeremias, drehte sich um und stieß den Alten von sich. »Nimm deinen Sohn und verschwinde von hier. Dann wird euch nichts geschehen.«
Mit ungläubigem und verständnislosem Blick sah Thomas von Jeremias zu Susanna, die heftig keuchte.
»Wieso sagst du so was?«, fragte sie verstört.
»Was?«
»Pestfinger.«
»Sein Bruder ist an der Seuche gestorben«, erklärte Jeremias kalt und zeigte auf das Grab, als Thomas einen Schritt auf Markus zuging.
»Es wäre besser, du würdest auf Jeremias hören!«, brüllte Markus und lockerte dabei kurz seinen Griff.
Das nutzte Susanna sofort aus, um sich aus Markus’ Armen herauszuwinden. Kaum stand sie frei, richtete sie sich auf und trat ihm mit aller Kraft zwischen die Beine, sodass er stöhnend zu Boden ging. Sie sah, wie sich Jeremias auf sie stürzen wollte, als der fremde Mann sich ihm in den Weg stellte. Ohne zu zögern, streckte Jeremias ihn mit einem gezielten Schlag nieder.
Als der Mann auf dem Boden lag, schrie Johannes mit schriller Stimme: »Vater!«
Susanna aber hatte die Gelegenheit zur Flucht verpasst, denn Jeremias’ Hand schnellte nach vorn und bekam sie zu fassen. Mit einer fließenden Bewegung drehte er ihr die Arme auf den Rücken, sodass sie erneut gefangen war.
»Noch einmal entkommst du uns nicht«, sagte Jeremias zornig und zog sie dicht an sich.
Das Gesicht von Markus war puterrot, als er versuchte, auf die Beine zu kommen. Dabei hob er mühsam das Messer auf, das vor ihm im Laub lag. Wütend fuchtelte er damit vor Susannas Nase herum. »Du verdammte Hure«, presste er hervor und schlug ihr hart ins Gesicht, sodass ihre Lippe aufplatzte.
Johannes, der weinend am Boden bei seinem Vater kniete, fuhr hoch und schrie: »Wie kannst du es wagen?« Blind vor Tränen stürzte er sich auf Markus, der ihn abwehrte und dabei das Messer in den Leib des Jungen rammte.
Susanna brüllte auf, und der alte Mann am Boden schrie: »Johannes!«
Verdeckt von dichtem Buschwerk, stand Urs in sicherer Entfernung und beobachtete nervös die Szene. Mehrmals wollte er nach vorne preschen und Susanna zu Hilfe eilen, aber sein Verstand sagte ihm, dass er gegen die gefährlichen, bewaffneten Männer zu schwach war. Wenn ich meine Armbrust hätte, würde ich sie das Fürchten lehren , dachte er zornig, als er den fremden Mann erblickte, der sich Jeremias mutig entgegenstellte. Kurz keimte Hoffnung in Urs auf, und er wollte dem Alten schon zu Hilfe kommen. Doch als er sah, wie Jeremias den Mann zu Boden schlug, verließ ihn erneut der Mut.
»Susanna, gib ihnen die magischen Schriften«, murmelte er vor sich hin und wusste doch, dass sie ihn nicht hören konnte. Schon wollte Urs die Schatzkarte den beiden gewalttätigen Gestalten als Tausch für Susanna anbieten, als ihm bewusst wurde, dass von Mördern kein Anstand zu erwarten war. Plötzlich hörte er einen Schmerzensschrei und blickte erschrocken nach vorn, wo er sah, wie Markus keuchend in die Knie ging. Als Urs erkannte, dass sich Susanna befreit hatte, reckte er wie beim Sieg die Arme in die Höhe und rannte einige Schritte auf sie zu. Doch dann musste er zusehen, wie Jeremias Susanna erneut gefangen nahm und Markus ihr heftig ins Gesicht schlug.
»Bàb«, kreischte Urs und schrie auf Deutsch hinterher: »Pass auf!« Er gab seine Deckung auf, um sich auf Jeremias zu stürzen, als er Zeuge wurde, wie der fremde Bursche mit dem Namen Johannes zusammenbrach und die
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