Das Pestzeichen
das Gotteshaus zuschlichen, als leises Pferdeschnauben zu hören war. Susanna drehte den Kopf und erblickte Dickerchen. Sogleich wollte sie seinen Namen rufen, als Urs ihr den Mund zuhielt und sie zu Boden warf. Mit großen Augen und einem Kopfschütteln deutete er an, dass sie still sein sollte, und wies mit dem Zeigefinger nach vorn.
Da erst sah sie Jeremias, der sich an einem Busch erleichterte. Susanna blieb bewegungslos liegen und wagte kaum zu atmen.
Jeremias schloss seine Hose und ging zurück zu den Pferden. Drei Pferde lagen auf dem Boden und dösten, während das vierte Wache hielt. Als es Jeremias kommen sah, schnaubte es leise, und die drei anderen erhoben sich. Langsam trotteten sie auf den Menschen zu.
»Der Morgentau muss reichen, um euren Durst zu stillen«, flüsterte Jeremias den Pferden zu und streichelte jedem über die Nüstern. Anschließend ging er in die Kirche, um Markus zu wecken.
»Das war knapp«, flüsterte Urs an Susannas Ohr und half ihr aufzustehen.
»Ohne dich wäre ich ihm vermutlich in die Arme gelaufen«, wisperte sie kreidebleich. »Was machen wir jetzt? Wir können nicht umherlaufen und den Schatz suchen, während Jeremias und Markus hier sind.«
Urs nickte. »Der Karte nach zu urteilen, muss der Schatz hinter der Kirche liegen. Lass uns in einem weiten Bogen um das Gebäude herumgehen«, entschied Urs und ging los. Susanna folgte ihm.
Kapitel 29
Thomas und sein Sohn Johannes packten die Habseligkeiten des verstorbenen Elias zusammen.
»Was soll mit den Sachen der beiden Händler geschehen?«, fragte Johannes und zeigte auf die Säcke, die in einer Ecke standen.
»Welchen Handel betrieben sie?«, fragte sein Vater.
Johannes zuckte mit den Schultern und öffnete einige Beutel. Er zog Garne, Bänder und Borten heraus. In einem Sack fand er persönliche Dinge der toten Männer.
»Ich glaube auf dem Fuhrwerk Stoffballen gesehen zu haben«, sagte Johannes und steckte die Sachen zurück in die Säcke.
»Wir werden alles mitnehmen und auf dem Markt in Saarbrücken verkaufen«, schlug Thomas vor.
Johannes warf ein: »Ich befürchte, dass du Probleme mit den ansässigen Händlern bekommen wirst.«
Thomas nickte. »Ja, da könntest du recht haben. Aber es wird sich eine Lösung finden. Bring alles aufs Fuhrwerk, mein Sohn, und spann das Pferd an. Ich will endlich losfahren.«
Johannes schwang sich einen Sack auf den Rücken und verließ die Kirche.
»Was machen wir?«, fragte Markus, der verschlafen nach draußen gegangen war und Jeremias bei den Pferden antraf.
»Wir warten«, sagte Jeremias und fügte flüsternd hinzu: »Ich bin sicher, dass das Mädchen und der Bursche in der Nähe sind. Sobald wir ihnen die magischen Schriften abgenommen haben, werden wir mit der Schatzsuche beginnen. Ich bleibe hier draußen und passe auf. Du könntest Johannes helfen, die Säcke hinauszutragen, damit die beiden endlich verschwinden.«
Nachdem die Sachen auf dem Karren verstaut waren, ging Johannes zurück in die Kirche. »Wir können los«, sagte er zu seinem Vater.
»Ich möchte mich von meinem Bruder Elias verabschieden«, erklärte Thomas kraftlos und zögerte, nach draußen zu gehen. »Geh vor, mein Junge«, bat er seinen Sohn. »Ich werde dir gleich folgen.«
Johannes blickte seinen Vater zweifelnd an, der sich wie am Abend zuvor gegen die Kirchenwand lehnte und die Hände zum Gebet faltete.
»Ich warte am Grab auf dich«, sagte Johannes und ging hinaus. Thomas nickte stumm, denn er wurde erneut von der Trauer um den verstorbenen Bruder überwältigt. Kaum hatte Johannes die Kirche verlassen, schlug sich Thomas die Hände vors Gesicht.
»Gott, mein Gott«, flehte er, »steh mir bei, wenn ich der Frau von Elias und unseren Brüdern die Todesnachricht überbringe.« Er fürchtete sich vor der Heimkehr. Im Gebet hoffte er Trost und Kraft zu gewinnen, als von draußen laute Stimmen zu hören waren.
Susanna und Urs hatten die Kirche in einem großen Bogen umrundet und befanden sich nun hinter dem Gebäude, wo sie bestürzt auf die frischen Gräber blickten.
»Deine Freundin im Wirtshaus behauptete, dass die Kirche nicht mehr benutzt wird. Warum gibt es hier frische Gräber?«, fragte Susanna und schaute Urs herausfordernd an.
»Was willst du damit sagen?«, fragte er ärgerlich.
»Dass deine Freundin gelogen hat«, erklärte sie zornig. »Wahrscheinlich war alles gelogen, was sie uns erzählt hat.«
»Sie ist nicht meine Freundin«, presste Urs zwischen den Zähnen hervor.
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