Das Pestzeichen
dort die gleichen Verdickungen wie in der Leistengegend.
Ich werde mich später um die Beulen kümmern. Zuerst muss der Schatz gefunden werden , dachte er, als ihn ein leichter Windstoß heftig zittern ließ. Ihm war, als ob plötzlich Eiseskälte in seine Glieder krieche und er erfrieren müsse. Vorsichtig drehte er den Kopf nach rechts und links und suchte seinen schwarzen Mantel. Diebe müssen ihn in der Nacht gestohlen haben , dachte er, da er ihn nirgends entdecken konnte. Qualvoll hob er den Kopf leicht an und erblickte die Kirche. Um sich vor der Kälte zu schützen, drehte sich Jeremias ächzend auf die Seite, zog langsam die Knie an und kam stöhnend auf Händen und Knien hoch, um zum Eingang zu kriechen.
Schweiß rann ihm über das Gesicht, und seine schwarzen Haare klebten ihm nass am Kopf. Er glaubte unvermutet, dass Schneegestöber eingesetzt habe und Schneeflocken auf seinem Gesicht schmolzen. »Schnell fort! Schnell fort ins Warme«, flüsterte er und verfiel in Panik, dass er erfrieren müsste. Das Blut schoss durch seine Adern, sodass Jeremias die Schmerzen nicht mehr spürte, die seinen Körper peinigten und die er bei klarem Verstand nicht ausgehalten hätte. Auf dem kurzen Weg zur Kirche lagen zuhauf verendete Ratten umher, die er kraftlos zur Seite schob. Als er endlich die Schwelle am Eingang erreicht hatte, kroch er zitternd ins Dunkle.
Auch auf dem Kirchenboden lagen tote Ratten, die Jeremias nicht mehr wahrnahm. Seine brennenden Augen gewöhnten sich langsam an das schwache Licht im Innern der Kapelle. Dann erblickte er den Leichnam. Freudig kroch er zu dem Toten und jubelte in seinem Fieberwahn, dass er den vermissten Gefährten wiedergefunden hatte.
»Markus, mein Freund«, flüsterte er und glaubte, die Worte laut gerufen zu haben.
Er setzte sich dicht neben den Toten und lehnte seinen Rücken gegen die Wand. Dann zog er mit großer Anstrengung an den Schultern der Leiche, sodass der Oberkörper von Markus auf seinem Schoß lag. Er blickte sich lächelnd um. Fast zärtlich fuhr er mit seiner vom Kriechen aufgeschürften Hand über die Wangen des Gefährten. »Schlaf, mein Freund! Ich werde dich wecken, sobald der Schneesturm nachgelassen hat. Du hast auf mich hier gewartet, du treuer Geselle«, murmelte Jeremias, während ihm Tränen über die Wangen liefen. »Wir beide werden gemeinsam den Schatz suchen«, versprach er dem Toten.
–·–
Müde und abgekämpft erreichten Susanna und Bendicht am späten Mittag Gersweiler. Nachdem sie die Pferde auf die Koppel gestellt hatten, eilten sie sofort zum Gasthof. Dort angekommen, nahm Bendicht zwei Stufen auf einmal, sodass Susanna ihm kaum folgen konnte. Ohne auf sie zu warten, stürmte er in die Schankstube. Sogleich trat der Wirt auf ihn zu, denn er vermutete einen neuen Kunden. Als er in Bendichts Gesicht schaute, zog er die Mundwinkel nach unten.
»Du bist wohl der Vater dieses Schurken«, schnaubte er und wollte Bendicht die Tür weisen, als Susanna eintrat. Ungläubig schüttelte der Wirt den Kopf. »Dass du dich erneut hierher wagst, kann nichts Gutes bedeuten.«
»Ich will Urs sehen«, forderte Bendicht, ohne auf das Geschwätz des Wirts einzugehen.
»Und ich will, dass du verschwindest und die da mitnimmst«, raunzte der Mann und zeigte auf Susanna.
Bendicht griff in seine Tasche und zog eine Münze hervor. »Dafür will ich für uns beide und für Urs eine anständige Mahlzeit. Und du wirst mich zu dem Jungen führen.«
Bendicht konnte sehen, wie der Wirt mit sich kämpfte. Da niemand sonst in der Stube war, nickte er.
»Setzt euch! Ich sehe nach, was ich in der Küche auftreiben kann«, sagte er und hielt seine Hand auf, um die Münze entgegenzunehmen, doch Bendicht schüttelte den Kopf.
»Du bekommst das Geld, wenn ich bei Urs gewesen bin.«
Urs hörte, wie sich der Schlüssel umdrehte. Sofort sprang er von seiner Decke auf und stellte sich zitternd in eine Ecke. Er hatte Angst, dass sie ihn abholten, um ihn nach Saarbrücken ins Gefängnis zu bringen.
Als nicht der Amtmann den Raum betrat, sondern Susanna und sein Oheim hereinkamen, weiteten sich seine Augen, und er blickte sie ungläubig an. Nachdem er mehrmals tief Luft geholt hatte, trat er auf sie zu. Der Oheim stellte das Getränk und den Becher auf den Boden und umarmte ihn. Dabei klopfte er ihm immer wieder auf den Rücken und flüsterte: »Mein armer Junge!«
Urs hatte Mühe, nicht loszuheulen, und erwiderte die Umarmung, so fest er konnte. Dabei sah er aus
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