Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zin meister Deana
Vom Netzwerk:
ermunterten, schneller zu gehen. »Wohin eilen die Leute? Gibt es im Wäldchen etwas umsonst?«, fragte er den Fremden.
    »Haha«, lachte der Mann. »So könnte man das ausdrücken. Dort am Waldesrand befindet sich die Hinrichtungsstätte, wo heute drei Schurken gehängt werden, die unseren Pastor erschlagen und die Kirche beraubt haben.«
    Jaggis Frau bekreuzigte sich, als sie das hörte. »Welche Schande!«, sagte sie und schlug erneut das Kreuzzeichen.
    Der Mann nickte ihr zu. »Da hast du Wahres gesprochen, Weib!«, sagte er. »Monatelang haben wir nach dem Gesindel gesucht und gewartet, bis sie das Raubgut zum Verkauf anboten. Stellt euch vor, Fremder, das Lumpenpack hat die Überzüge aus Edelmetall von den Holzbildern abgezogen und die Holzstatuen der zwölf Apostel im Wald zurückgelassen. Bei einem Goldschmied haben sie versucht, die silbernen Überzüge zu verkaufen, wie sie auch die acht vergoldeten Kelche zu Geld machen wollten. Zum Glück konnten wir die drei Räuber festnehmen. Dank der Fähigkeiten des Scharfrichters wissen wir auch die Namen von vier anderen Schurken und werden sie sicher bald dingfest machen.«
    »Es gibt so viel Schlechtes auf der Welt!«, seufzte Jaggis Frau Barbli.
    »Kommt mit! Ich spendiere euch ein Bier, bevor die Reise weitergeht«, versprach der Fremde.
    Nachdenklich blickte Jaggi zu seiner Familie, als seine Frau meinte: »Den Kindern würde es guttun, sich die Beine zu vertreten. Und mir ebenso.«
    Er nickte und half seiner Familie beim Absteigen. Anschließend lockerte er das Geschirr des Pferdes, das daraufhin entspannt einen Huf anstellte. Bevor Jaggi dem Fremden zum Wäldchen folgte, holte er von der Ladefläche ein Säckchen Hafer, das er dem Gaul um den Hals hängte, damit er derweil fressen konnte. Zufrieden eilte er seiner Familie hinterher, die bereits vorgelaufen war.
    Urs hatte keine Ahnung, was ihn auf der Lichtung erwartete, denn er hatte nie zuvor eine Hinrichtung erlebt. Erstaunt sah er, dass zahlreiche Menschen sich auf den Wiesen niedergelassen hatten. Manche hatten einen bepackten Korb dabei und breiteten Getränke und Essen auf einem Tuch aus. Andere kauften bei Bäckern süße Kringel oder würzige Pasteten. Ein Wirt hatte zwei Fässer angekarrt, aus denen er Bier zapfte und verkaufte.
    »Hier herrscht ein Treiben wie an einem Festtag«, sagte Urs überrascht.
    »Es ist tatsächlich ein Festtag für die Menschen«, erklärte der Fremde augenzwinkernd und ging zu einem Wirt, um zwei Krüge Bier zu kaufen. Er reichte Jaggi einen und stellte sich als Peter Schröder vor. Auch Jaggi Blatter nannte seinen Namen, woraufhin der Mann ihm zuprostete: »Auf die Gerechtigkeit und auf eure Reise!«
    »Vater, darf ich mich umschauen?«
    Jaggi, der sich angeregt mit Schröder unterhielt, nickte, ohne seinen Sohn anzusehen.
    »Ich will mit Urs gehen«, rief Leonhard und umfasste die Hand seines älteren Bruders.
    Flehend blickte Urs seine Mutter an, die mit strenger Stimme zu ihrem Zweitgeborenen sagte: »Du kommst mit mir und deiner Schwester!«
    Dankend winkte Urs ihr zu und verschwand in der Menschenmenge.
    Er schlenderte zwischen den Leuten einher, als ein leichter Luftzug einen widerlichen Gestank verbreitete. Naserümpfend folgte er dem Geruch und stand plötzlich mitten auf der Hinrichtungsstätte. Als Urs die mächtige Eiche vor sich sah, erstarrte er vor Schreck, denn zahlreiche Leichen baumelten an zwei dicken Ästen rechts und links des Stamms. Der ekelhafte Geruch raubte anscheinend nur ihm den Atem, sodass er sich die Nase zuhielt, bis er sich an den Gestank gewöhnt hatte. Langsam ging er näher an den Baum heran.
    Leichter Wind schwang die Toten hin und her, sodass es aussah, als ob sie tanzten. Die Leichen hingen so hoch oben an den Ästen, dass zwei Männer übereinander mit ausgestreckten Armen nicht heranreichen konnten. Auf einigen Schädeln saßen Krähen und blickten mit ihren schwarzen Augen auf Urs herab, während sie Fleischfetzen aus den verwesenden Leichen heraushackten.
    Urs ging um den Stamm der Eiche herum und erblickte unter den Füßen der Toten vier Männer. Sie saßen um ein Fass, das ihnen als Tisch diente. Einer schüttelte die gefalteten Hände hin und her, hielt sie dann auseinander und ließ drei Würfel über den Boden des Fasses rollen. Als man die Zahlen erkennen konnte, sprang einer seiner Kameraden auf und rief: »Du Lump betrügst!«
    Der Beschuldigte lachte herzhaft. »Rede keinen Unsinn, Klaus! Nur, weil ich Glück habe

Weitere Kostenlose Bücher