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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zin meister Deana
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losrumpelte, rief er: »Gute Reise!« und lief ein Stück nebenher. Beim Anblick der traurigen Augen seines Neffen versprach er: »Schon bald werde ich bei euch sein!« Bendicht hatte Mühe, frohgelaunt zu wirken, denn der Abschied schmerzte ihn. Als er außer Atem geriet, blieb er keuchend stehen.
    Urs blickte besorgt zu seinem Oheim, doch der gab ihm ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei. Heftig winkend verabschiedete sich der Junge von seinem Onkel, während der Vater ihn laut rügte: »Du benimmst dich wie ein Mädchen!«
    Der Bursche spürte, wie seine Wangen sich rot verfärbten, und ließ den Blick schnell zu Boden sinken. Als Urs eine Hand auf seinem Rücken fühlte, wandte er den Kopf nach hinten und blickte in die Augen seiner Mutter, die ihm verschwörerisch zuzwinkerte. Mit einem zaghaften Lächeln dankte er ihr und drehte sich wieder nach vorn.
    Die Fahrt verlief bei gutem Wetter und blieb ohne besondere Vorkommnisse. Jaggi Blatter war bestrebt, nachts mit seiner Familie in einem Kloster unterzukommen, denn die Mönche und Nonnen waren den Reisenden stets gastfreundlich gesinnt und boten ihnen im Pilgerhaus ein Lager und im Refektorium eine warme Mahlzeit. Auch das Pferd bekam Heu und Wasser und stand in einem trockenen Stall.
    »Warum unnötig Geld für eine Herberge ausgeben, in der wir womöglich ausgeraubt werden?«, hatte Jaggi seiner Frau erklärt, der das Betteln an der Klosterpforte unangenehm war.
    Um den Kindern die Reise zu verkürzen, unterhielt sie der Vater mit Geschichten aus dem langen Krieg. Als sie im Kanton Aargau das Fricktal durchquerten, erzählte er ihnen, wie die schwedischen, französischen und österreichischen Truppen die Gegend unsicher gemacht hatten. »Zum Glück sorgte der Westfälische Friede von 1648 dafür, dass dieser elende Krieg endlich beendet wurde«, schloss der Vater seinen Kriegsbericht, dem Urs und die kleinen Geschwister gespannt gelauscht hatten.
    Es war am zehnten Tag ihrer Reise, als sie in den frühen Morgenstunden die Grenze zum Deutschen Reich überquerten. Einige Zeit später erblickten sie in der Nähe von Weil am Rhein einen Menschenzug, der sich auf ein kleines Wäldchen zubewegte. Je näher das Fuhrwerk den Leuten kam, desto dichter wurde das Gedränge, sodass es für das Pferd kaum noch ein Vorwärtskommen gab – zumal die dicht gedrängten Mengen von Frauen, Männern und Kindern keine Anstalten machten, das Gespann passieren zu lassen. Manche taten, als ob sie die Reisenden nicht bemerkten, und schritten ruhigen Ganges vor ihnen her. Die Menschen schwatzten und lachten und überhörten Jaggi Blatter, der ihnen zurief: »Ihr guten Leute, seid so nett und tretet zur Seite.«
    Als sie seinem Wunsch nicht nachkamen, wurde er ungehalten und wollte das Pferd mit der Peitsche antreiben. Ein Mann stellte sich ihnen in den Weg, sodass das Pferd schnaubend stehen blieb und aufgeregt mit dem Vorderhuf scharrte. Jaggi blieb keine andere Wahl. Er stieg vom Kutschbock und versuchte schimpfend, das Pferd zum Weitergehen zu bewegen – doch vergebens. Er blickte den Fremden mürrisch an und murmelte: »Bänz!«
    Der Mann wandte sich ihm zu und fragte gefährlich leise: »Wer wagt es, mich Schwachkopf zu nennen?«
    Erstaunt blickte Jaggi den Mann an. »Du verstehst die Urner Sprache?«
    »Nicht alles, aber die wichtigsten Worte.«
    Nun musste Jaggi lachen. »Zu deinem Wortschatz gehört auch ›Bänz‹?« fragte er.
    Der Fremde nickte grinsend.
    »Müsst ihr im Weg stehen?«, keifte ein Weib, das um das Fuhrwerk herumgehen wollte und mit dem Rock an einem Reifen hängen geblieben war. Jaggi fasste das Pferd am Kopfgeschirr, um es weiterzuziehen, als ein junger Bursche dem Pferd mit einer Rute einen Klaps auf das Hinterteil gab. Der Gaul stieg laut wiehernd mehrmals in die Höhe, und eine Mutter nahm ihr verängstigtes Kind auf den Arm und schimpfte erzürnt: »Du dummer Mensch!«
    »Was kann ich dafür, wenn der Saubub mein Pferd schlägt?«, wehrte sich Jaggi.
    »Treib es ein Stück weiter des Weges«, sagte der Fremde. »Nur wenige Schritte entfernt gibt es eine breite Stelle, wo dein Fuhrwerk nicht stört.«
    »Wir wollen nicht verweilen, sondern weiterfahren«, erklärte Jaggi und führte das Pferd zu der Stelle, die der Mann ihm gezeigt hatte.
    »Wohin geht eure Reise?«, wollte der Unbekannte wissen.
    »Nach Trier«, erklärte Jaggi, während er interessiert zusah, wie die Menschen in die Richtung des Wäldchens strömten und sich dabei gegenseitig

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