Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
nicht am Platze war, wenn er einen guten Eindruck machen wollte.
Also stemmte er die Fäuste in die Seiten, machte seine Quäkstimme so tief wie er konnte, und sagte rügend: „Ich hatte gedacht, Ihr seid eine Lady, Madam! Aber wer einen Mann mißhandelt, kann keine Lady sein!"
Damit wollte er sich wieder Halbohr zuwenden.
Mammy war ob dieser Antwort zwei Sekunden lang sprachlos. Dann schnaufte sie erbost. Schließlich packte sie Johnny bei den Resten seines ramponierten Hemdes und hob ihn mit zwei Fingern der rechten Hand zu sich empor.
„Wie kommen du hierher, kleine Giftkröte?"
„Ich habe einen ganzen Kasten Eidechsen zu Hause", erwiderte der Junge böse, „und wenn Sie sich wegen Ihres Benehmens nicht bei mir entschuldigen, Madam, setze ich sie Ihnen alle ins Bett!"
Worauf Mammy von neuem die Sprache verlor. Dann setzte sie das Bürschchen wieder zu Boden, ergriff es jedoch sofort bei der Hand, so daß es ihr nicht mehr ausreißen konnte, und sagte kurz und bündig: „Komm essen, Baby!"
„Ich bin kein Baby!" wiedersprach Johnny. „Und wenn Sie mich noch einmal so nennen, Madam, mache ich das mit den Eidechsen wirklich! Daß die Erwachsenen immer nur so blöde Anreden für mich haben! Ich bin von zu Hause ausgerissen, weil sie mich ,Süßer' nennen, und nun kommen Sie und sagen sogar ,Baby'!"
„Wie soll ich dich denn rufen?" Mammy hatte diesen kleinen Lausebengel schon in ihr Herz geschlossen. Und wer einmal darin saß, kam so leicht nicht wieder heraus!
„Ich heiße Johnny", belehrte sie der kleine Mann hoheitsvoll.
„Dann also essen, Johnnystrolch!" Sie wandte sich gutgelaunt an Sam. „Wo sein Schlingel Pete?"
„Im Hauskorral bei Black King natürlich!"
„Du gehen holen! Dann ihr läuten Essenglocke! Und hinterher kommen in Küche. Diese Baby —" sie unterbrach sich, gab Johnny einen liebevollen Schubs, der ihn beinahe aus dem Gleichgewicht brachte, verbesserte sich aber schnell — „diese junge Mr. Johnny essen mit euch und mich in Küche! Ich ihn nicht können schicken mit zerrissene Sachen in Eßzimmer."
„Okay, Mammy!" versprach Sam und machte sich dünn. Er aß lieber in der Küche als im großen Eßzimmer; bei Mammy fand sich immer eine Gelegenheit, Extraportionen herauszuschinden.
Zehn Minuten später saßen sie zu viert um den Küchentisch. Johnny schlug begeistert mit der Faust auf die Tischplatte, so daß die Teller tanzten. „Hier bleib'
ich!" erklärte er entschlossen. „Hier geh' ich nicht mehr fort! Zu Hause muß ich immer nur Brei und solch läppisches Zeug essen!" Er angelte sich einen Riesenbrocken Fleisch aus der Pfanne, die Mammy der Einfachheit halber mitten auf den Tisch gestellt hatte, und kaute gleich darauf mit vollen Backen los.
Nach Tisch kleideten sie ihn erst einmal neu ein. Er bekam eine Hose von Sam, deren Beine doppelt umgekrempelt werden mußten, damit er nicht darauf trat; um den Bauch herum war sie ihm so weit, daß er aussah wie ein Känguruh mit leerem Beutel. Aber er fühlte sich sauwohl darin und das war die Hauptsache!
„Ihr ihn jetzt schaffen zurück nach Generalshaus!" verlangte Mammy, als sie fertig waren. Johnny widersprach, aber es nützte ihm nichts.
„Es nicht gehen, du bleiben hier!" verwies ihn Mammy ernst. „Deine Mutti sich ängstigen! Pete und Sam dich bringen nach Haus, und du bitten deine Mam, dich erlauben zu kommen besuchen uns, dann gut! Sonst —" Sie schielte liebevoll zu den Bratpfannen hinüber; aber da Johnny bisher noch keinerlei Erfahrungen mit diesen Dingern gemacht hatte, ließ ihn dieser zarte Wink kalt. Er weigerte sich standhaft, nach Hause zu gehen. Erst nachdem Pete ihm versprochen, er dürfe den ganzen Weg auch auf einem richtigen Pferd reiten, gewann er der Sache einigen Reiz ab. Denn er hatte noch nie im Leben auf einem richtigen Pferd gesessen.
Sie ritten also los, nachdem sie für Johnny den zahmsten Gaul ausgesucht hatten, den es auf der Ranch gab. Der Kleine saß ungeheuer stolz im Sattel. Zwar machte er eine seltsame Figur in den viel zu weiten Hosen und in dem zusammengewickelten Tuch, das eine Jacke darstellen sollte, aber ihm imponierte das, da es nicht alltäglich war, ganz besonders!
Mammy Linda gab, ehe sie abritten, den Jungen noch einen Auftrag mit: „Ich vergessen heut nachmittag, Schneiderin fragen, wann kommen soll zu Anprobe für Kattunkleid neues. Ihr reiten zu sie und fragen! Nicht vergessen; nun husch, husch!"
Sie brauchten Johnnys wegen bis Somerset doppelt so viel Zeit als
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