Das Pete Buch 23 - Der doppelte Watson
Felsbrocken nieder.
Er mochte eine gute halbe Stunde dagesessen und reglos vor sich hingestiert haben, als ihn eine erstaunte Stimme aus seinen Gedanken riß: „Nanu, Mr. Watson, was suchen Sie denn hier?"
„Sind Sie auch schon da, Professor?" fragte Kluck spöttisch.
„Wer langsam reit', kommt gerad' so weit", deklamierte Kullerbaum und rutschte stöhnend von seiner Mähre. „Dieser verdammte Sattel ist unglaublich hart. Die weichen Polster eines Autos sind mir lieber."
„Was haben Sie denn da um Ihren Hals hängen?" fragte Kluck.
„Haben Sie noch nie 'ne Leika gesehen?" fragte der Professor. „Ich brauche sie für meine Arbeit. Will fotografieren, wie Mr. Franklin seine Käfige aufbaut."
„Warum denn das?"
„Ich bin Amateur-Fotograph. Mein Hobby ist, andere Leute unbeobachtet zu knipsen." „Wieso unbeobachtet?"
„Weil sich dann die Menschen natürlicher geben, lieber Watson. Wenn sich jemand beobachtet fühlt, kommt selten ein wirklich interessantes Bild zustande. Höchstens eins für's Familienalbum,"
„Und was machen Sie dann mit den Bildern?" fragte Mr. Kluck, der auf diesem Gebiet nicht auf den Kopf gefallen war und sehr logisch denken konnte.
„Ansehen, lieber Watson! Hätten Sie nicht Lust, mit mir auf die Knipspirsch zu gehen? Führen Sie mich nach Graseys Court. Biete Ihnen 50 harte Dollars dafür! Einverstanden?"
„Eigentlich suche ich die Malone-Ranch", wandte der Hüter des Gesetzes ein. „Aber die Ranch scheint so klein zu sein, daß man sie mit dem bloßen Auge gar nicht erkennen kann."
„Das ist aber ärgerlich", pflichtete ihm Kullerbaum bei. „Lassen Sie die Ranch doch liegen, wo sie liegt, und folgen Sie m i r."
Emil Kluck überlegte nicht mehr lange. Hier hatte er eine einmalige Chance, 50 Dollar zu verdienen. Mochte doch der Rancher Malone seine gestohlenen Rinder selber suchen! —
Emil Kluck wußte ungefähr die Richtung, die die von Pete angeführte „Karawane" gezogen war. Der Weg wurde immer steiler, und dann zischte er plötzlich: „Absteigen! Da hinten steht der Wagen. Sie laden ihn gerade ab und schleppen die Käfigteile nach oben."
Schweißtriefend rutschte der Professor von seinem Gaul.
„Ihr Bart hat ja plötzlich Schlagseite bekommen!" stellte Watsons kriminalistisch geschulter Blick fest.
„Das ist nun mal das Schicksal falscher Bärte", meinte der gute Kullerbaum unerschüttert und riß sich seinen Vollbart ganz ab. Bei der Hitze war das Ding auch eine
zu große Qual. Schnurrbart und Augenbrauen folgten. Selbst die Brille nahm er ab, und zum Vorschein kam — Jim Parker, der mit allen Wassern gewaschene Reporter der „Phönix Evening Post!" „War meine Maske nicht gut?" fragte Parker den verdutzten Emil Kluck.
„Ich verstehe . . . nichts", stotterte dieser nun völlig verwirrt.
„Ja, kennen Sie denn den alten Jim Parker nicht wieder?" fragte der Reporter befremdet. Und da Kluck ja nicht „Watson" war, konnte er sich beim besten Willen nicht an diesen Mann erinnern. Trotzdem sagte er: „Ach ja, ich erinnere mich ganz grau."
„Sie wissen doch, Mr. Watson, daß ich Reporter bin. Meine Aufgabe besteht darin, dem Forscher Franklin gewisse Informationen zu entlocken! Ich werde jetzt mit Ihrer Hilfe in aller Ruhe ein paar Bilder knipsen und später die Maske wieder anlegen, denn am Sonntag will ich ja den Forscher dort oben in seiner Hütte besuchen."
„Warum bitten Sie Mr. Franklin nicht einfach um ein Interview?"
„Weil er keine gibt! Ich, Jim Parker, werde immer für besonders schwierige Aufgaben eingesetzt. Ich hoffe, Mr. Watson, daß ich mich auf Sie verlassen kann."
„Ich weiß nicht, ob ich gegen das Gesetz verstoße, wenn . . ."
„Papperlapapp! Sie verstoßen nicht gegen das Gesetz, wenn Sie einem Reporter bei der Arbeit unterstützen. Grundbedingung dafür aber ist tiefste Verschwiegenheit. Lassen Sie sich nur kein unbedachtes Wort entlocken. Hier haben Sie erst mal als Anzahlung 30 Dollar."
Widerwillig nahm „John Watson" das Geld. Der andere John Watson hätte sich auf dieses faule Geschäft bestimmt nicht mehr eingelassen, weil er ja diesen skrupellosen Reporter bereits zur Genüge kannte. Jim Parker nämlich schreckte auch nicht davor zurück, sich seine Informationen unter Umständen mit Gewalt zu beschaffen. Emil Kluck konnte das jedoch nicht wissen, und nur darum willigte er in dieses keineswegs einwandfreie Geschäft ein.
„Wir führen unsere Tiere da hinter den hohen Felsen", schlug der Reporter nun vor.
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