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Das Pete Buch 36 - Wo gibts denn sowas

Das Pete Buch 36 - Wo gibts denn sowas

Titel: Das Pete Buch 36 - Wo gibts denn sowas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Dalton
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die Wohnstubentür, die er einen Spaltbreit hatte offenstehen lassen, und spähte hinaus. Aha — da kam der Bengel ja zurück!
    Zunächst hatte er die Absicht, den Neffen sofort beim Genick zu packen, in die Stube zu zerren und ein furchtbares Strafgericht abzuhalten. Aber Jimmy ging nicht in die Küche, wie es sonst seine Art war, sondern stieg gleich die schmale Treppe zu seiner Dachkammer hinauf. Das kam Onkel John äußerst verdächtig vor. Er verschob also das Strafgericht auf später, um zunächst einmal zu ergründen, warum Jimmy zu Bett ging, ohne noch vorher einen Bissen zu sich zu nehmen.
    Jimmy hatte seine Gründe. So, wie er aussah, konnte er sich nicht vor seinem Oheim zeigen. Die mehrfachen Bäder des Tages waren seinen Kleidern nicht gut bekommen, von den Rissen, die Hose und Jacke davongetragen hatten, gar nicht zu reden. So hielt er es für richtiger, erst einmal eine Nacht vergehen zu lassen; daß er deshalb keinen Hunger zu leiden brauchte, dafür hatte er vorgesorgt.
    In seinem Kämmerchen steckte er zunächst einmal die Nachtkerze an; dann rückte er den Waschtisch von der Wand; dahinter befand sich eine eigentlich völlig überflüssige Nische. Jimmy hatte sich darin eine geheime Speisekammer eingerichtet, aus der er sich bedienen konnte, wenn er einmal zur Strafe von seinem Onkel ohne Abendessen zu Bett geschickt wurde. Sie war, und das sprach für Jimmys Organisationstalent, gut „assortiert".
    Feinschmeckerisch wählte Jimmy unter all den guten Sachen, die er hier aufgestapelt hatte, und fing an, nach Herzenslust zu futtern. Aber der erste Bissen, den er in den Mund schob, blieb ihm bereits im Hals stecken. Denn in der gleichen Sekunde legte sich ihm eine schwere Hand ins Genick, und die Stimme seines Onkels erscholl wie die Posaune des Jüngsten Gerichts.
    „Hah, du elendiglicher Wicht! So gehst du mit den Lebensmittelvorräten deines Oheims um? Wo triebst du dich den ganzen Tag über herum?" Plötzlich konnte John Watson vor Überraschung nicht weitersprechen. „Wie siehst du denn aus?" japste er nach einer Weile, „ist das eine Art, mit seinen Kleidern Schindluder zu treiben?"
    Dann wurde nichts mehr gesprochen — mindestens zehn Minuten lang. In diesen zehn Minuten waren beide eifrig beschäftigt: Watson, der Jimmy mit gekonntem Schwung übers Knie gelegt hatte, damit, seine Hände wie Kehrschaufeln im rhythmischen Gleichklang auf die Rückfront Jimmys trommeln zu lassen; Jimmy damit, die Zähne zusammenzubeißen, um den Schmerz wenigstens halbwegs mannhaft hinunterzuschlucken. Schließlich aber ging die edle Mannhaftigkeit doch über seine Kraft und er winselte los wir ein junger Hund.
    Watson bewies, daß er mehr als überdurchschnittliche Ausdauer besaß. Jimmys Rückseite brannte bald wie Höllenfeuer. Als Onkel John schließlich innehielt, wußte Jimmy, daß die Gefahr damit noch längst nicht gebannt war; die Erfahrung lehrte nämlich, daß eine derartige Pause nur die Ruhe vor dem letzten Sturm war, vor dem Orkan sozusagen. Deshalb suchte er nach einer Möglichkeit, den hilfssherifflichen Zorn von sich abzulenken? Gab es eine bessere Gelegenheit dazu als seines Onkels angeschwollene Nase?
    „Aber, Oheim!" schluchzte Jimmy so süß wie eine Nachtigall. „Was ist denn dir passiert? Warst du schon

    beim Arzt? So etwas kann die schlimmste Blutvergiftung zur Folge haben und dann mußt du ins Gras beißen! Wer aber fängt dann die Verbrecher in unserm Distrikt?"
    Watson erschrak. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht, und dabei lag schließlich nichts näher als das! Mein Gott, er würde doch nicht...! — Nein, das wäre zu grausam, einen Mann sterben zu lassen, nur weil er seine Pflicht erfüllt hatte!
    Jimmy flötete weiter. „Hast du wenigstens schon den nötigen Whisky als Gegengift zu dir genommen, Oheim? Wenn nicht, dann tu's bitte sofort! Du wirst mich doch nicht allein auf dieser gefährlichen Welt zurücklassen wollen? Ich würde es nicht überleben."
    „Watson horchte auf. Das war es: Whisky mußte her! Und da er zufällig keinen im Haus hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als schnell in den „Weidereiter" hinüberzugehen, der seinem Häuschen ja am nächsten lag.
    „Hah!" rief er und blickte seinen Neffen böse an. „Bilde dir aber nur nicht ein, daß du mit dieser Kleinigkeit davonkommst! Doch im Augenblick ist mein Leben wichtiger. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!"
    Jimmy verhielt sich reglos, bis Onkel Johns Schritte verklungen waren.

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