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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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Magen. Man wußte nie, wann Telefongespräche abgehört wurden.
    »Es tut mir sehr leid, Martha«, sagte er tonlos. »Aber die Polizei ist in diesen Dingen sehr genau und sorgfältig. Sie handelt nicht, solange sie ihrer Sache nicht sicher ist. Eine gerechte Justiz ist eine der großen amerikanischen Traditionen.«
    Sie starrte ihn lange verdutzt an. Allmählich kam ein harter Glanz in ihre Augen. »Eine ungerechte Justiz, meinst du«, sagte sie schließlich. »Ich hatte nicht gedacht, daß du ...«
    »Sei vorsichtig, Martha«, warnte er sie. »Ich weiß, es ist ein Schlag für dich, aber sag nichts, was du später bereuen müßtest. Jimmy kann schließlich durch Krankheit oder einen Unfall gestorben sein. Solche Sachen kommen vor.«
    »Ich ... ich vergaß«, stammelte sie leise. »Du bist selbst bei der ... der Sicherheitspolizei.«
    »Sei ruhig und gefaßt, Martha«, sagte er lahm. »Sieh es als ein Opfer für das nationale Interesse an.«
    Sie schaltete aus. Er wußte, daß er nicht wieder von ihr hören würde. Und es würde nicht sicher sein, sie zu besuchen.
    »Leb wohl, Martha«, sagte er laut. Es war, wie wenn ein Fremder spräche.
    Er wandte sich wieder den Bücherregalen zu. Nicht für mich, sagte er sich, wenig überzeugend. Für Jack. Er schob Marlowe zwischen die anderen Bücher zurück und ging in die Küche, wo er ein Wasserglas mit Whisky und Eiswürfeln füllte.
    An diesem Abend nahm er eine Schlaftablette extra, und als er am nächsten Morgen zur Arbeit erschien, war sein Kopf noch immer nicht ganz klar. Nach einer Weile gab er den Versuch auf, die Tagespost zu beantworten, sah in den Arbeitsräumen und bei Matilda nach dem Rechten und zog sich dann aufatmend in die Stille und Abgeschiedenheit des Archivraums zurück.
    Einen Augenblick blieb er sinnend vor dem breiten Bedienungspult stehen. Die allmähliche Erschaffung von Sam Hall war eine seltsame Erfahrung für ihn gewesen. Er, ruhig und introvertiert, hatte die Lebensgeschichte eines Rowdys geformt und eine derbe, vom Schicksal hart gebeulte Persönlichkeit geschaffen. Sam Hall hatte für ihn mehr Wirklichkeit als manche von den Leuten, mit denen er dienstlich zu tun hatte. Nun, ich bin eben ein schizoider Typ, dachte er. Vielleicht hätte ich Schriftsteller werden sollen. Nein, das war nichts. Eine ungesicherte Existenz, zu viele Beschränkungen, zu viele Ängste und Scherereien mit der Zensur. Während er mit Sam Hall machen konnte, was er wollte.
    Er holte tief Atem und forderte das Material über ungeklärte Mordfälle an Beamten der Sicherheitspolizei an. Er beschränkte sich auf den letzten Monat und den Großraum New York. Die Maschine hatte sechs Fälle registriert, was Thornberg überraschte. Die Ermordung von Sicherheitspolizisten schien beinahe etwas Alltägliches zu sein. Konnte es sein, daß die Unzufriedenheit größer und verbreiteter war, als die Regierung zugeben mochte? Aber wenn ein Großteil der Bevölkerung Gedanken nährte, die unter das Etikett Hoch- und Landesverrat fielen, war das Etikett dann noch anwendbar?
    Er fand, was er suchte. Sergeant Brady hatte in der Nacht vom 27. auf den 28. vergangenen Monats unvorsichtigerweise im südlichen Brooklyn Ermittlungen angestellt. Er war allein gewesen und hatte die schwarze Uniform getragen, von der er sich offenbar den Schutz gewichtiger Autorität versprochen hatte. Am nächsten Morgen war er mit eingeschlagenem Schädel im Hinterhof eines leerstehenden und verfallenen Gebäudes aufgefunden worden.
     
    Ja, ich brachte einen um, sagen sie, sagen sie,
    Macht ihn fertig wie noch nie, wie noch nie,
    Schlug ihm glatt die Rübe ein,
    Ließ ihn liegen, wie gemein ...
     
    Zweifellos hatten die Zeitungen einhellig diese viehische Brutalität beklagt, begangen von den verräterischen Agenten feindlicher Mächte. (Oh, der Pfarrer, er kam auch, er kam auch.) Eine Anzahl von Verdächtigen war sofort verhaftet und strengen Verhören unterzogen worden. Bewiesen war noch nichts, doch ein gewisser Joe Nikolsky (Amerikaner in der fünften Generation, Mechaniker, verheiratet, vier Kinder, Schriften der Untergrundbewegung in seiner Wohnung sichergestellt) war wegen dringenden Tatverdachts zu weiteren Verhören ins New Yorker Polizeigefängnis überstellt worden.
    Thornberg seufzte. Er wußte genug über die Methoden der Sicherheitspolizei, um zu sehen, daß sie für einen solchen Mord immer einen Schuldigen finden würde. Sie konnte sich nicht leisten, ihren Ruf von Unfehlbarkeit durch den

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