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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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früher und versuchte mir Antworten auf alle die Fragen auszudenken, mit denen sie mich bombardierten. Wenn jemand, der immer am Rand des Bankrotts gewesen ist (und das ist bei den meisten von Arts Stammgästen der Fall), plötzlich mit neuen Anzügen und einem neuen Wagen aufkreuzt und in der Lage ist, seinen Freunden auch mal eine Runde Bier zu spendieren, dann führt das zwangsläufig zu Fragen. Ich erzählte ihnen dies und das, ich hätte was geerbt und bemühte mich um eine Vertretung und so weiter, aber das befriedigte ihre Neugierde nicht.
    Schließlich traf ich eine Verabredung mit dem Mann, der immer versucht hatte, Art eine Versicherung anzudrehen. Er kam zu uns und setzte mich mit einem seiner aggressiven Verkaufsgespräche unter Druck. Ich gab vor, mir seine Zahlen zu notieren, aber das tat ich nicht. Ich schrieb mir seine Redensarten auf. Ich kaufte eine kleine Haftpflichtversicherung und ließ mich noch wegen einer Hausrat- und einer Lebensversicherung beraten und merkte mir viele von seinen Ausdrücken und Redewendungen. Als ich das nächste Mal bei Art war und jemand mich fragte, was ich täte, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, erzählte ich, daß ich Versicherungen verkaufe, und fing gleich mit dem Verkaufsgespräch an, das ich mir eingeprägt hatte. Von da an ließen sie mich in Ruhe, anscheinend überzeugt.
    Im Herbst 1961 kauften wir unser Haus. (Wir wohnen immer noch dort, falls es Sie interessiert. Besuchen Sie uns mal, wenn Sie zum Ontario-See kommen. Es ist nicht weit von Rochester, an der Straße nach Utica, das Große am Ende der Zufahrtstraße, gegenüber vom Golfplatz.) Wir zahlten mit einem Barscheck für das ganze Ding, komplett mit dreitausend Quadratmetern Grund. Die Kinder waren auf Anhieb begeistert, wie sich denken läßt, und ich glaube, es waren die Rutschbahn und die Schaukeln hinter dem Haus, die es machten. Bald waren sie braun wie Polynesier, und nicht viel später war Jean es auch. Sie verbrachte – und verbringt – mehr Zeit mit Umgraben und Pflanzen im Garten als ich mit Schlafen.
     
    Es war wirklich ein herrliches Leben. Wir standen auf, wenn uns danach war – jedenfalls im Sommer, wenn die Kinder Ferien hatten – und saßen herum, bis wir Lust hatten, etwas zu unternehmen. Wenn wir etwas unternahmen, taten wir es, ohne vorher auszurechnen, wieviel wir ausgeben könnten. Wenn wir wo übernachten wollten, taten wir es, und wir stiegen in jedem Hotel ab, das uns gefiel. Und wenn wir uns am Empfangsschalter eintrugen, taten wir es, ohne nach dem Preis für das Zimmer zu fragen, und Jean konnte mit mir durch die Hotelhalle gehen, ohne sich wegen der Kleider zu genieren, die sie zufällig anhatte. Es amüsierte mich, wenn ich darüber nachdachte. Als wir noch kein Geld gehabt hatten, waren wir in der Öffentlichkeit immer verlegen und geniert gewesen, egal wie wir angezogen waren. Nun war es uns gleich, wie wir aussahen.
    Einmal kamen wir von einem Ausflug nach Kanada zurück und stiegen im vornehmen Statler-Hotel ab, und Jean, ich und die Kinder waren in Shorts. Wir gingen in unser Zimmer, schliefen bequem, frühstückten und waren zu Haus, bevor wir auch nur daran dachten, wie viele Leute uns in der glitzernden Hotelhalle angestarrt hatten. Wir überdachten das, analysierten es und begannen zu lachen.
    Als die Kinder im Sommer 1963 aus der Schule kamen, machten wir eine lange Reise, hinüber nach Wisconsin und bis zu den Black Hills. Als wir Mitte August zurückkamen, war der Briefkasten voll von den üblichen Wurfsendungen und Prospekten, und nach einem flüchtigen Blick auf die Sammlung warf ich alles in die Mülltonne, was ein Fehler war. Das war im August. Im September hatten wir einen Besucher.
    Es war einer von diesen schönen Nachsommertagen, mit einer leichten Brise und der warmen Sonne und den Geräuschen der Kinder, die im Garten spielten.
    »Mein Name«, sagte er, »ist Morton. Frank Morton. Ich bin vom Finanzamt.«
    Jean klappte fast zusammen.
    »Ein hübsches Anwesen haben Sie hier, Mr. McNally«, sagte er. »Ich habe es immer bewundert.«
    Ich dankte ihm dafür. »Es gefällt uns, Mr. Morton. Und die Kinder mögen es, abseits vom Verkehr.« Etwas anderes fiel mir nicht ein.
    Er stimmte mir zu. »Übrigens kommt mein Junge ziemlich oft zum Spielen hierher.«
    Das überraschte mich.
    »Sie müssen ihn gesehen haben«, fuhr Morton fort. »So ein fetter kleiner Bursche.«
    Jetzt wußte ich, wen er meinte. »Der kleine Frankie? Aber natürlich! Er ist

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