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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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immer so scharf auf die Kekse, die meine Frau bäckt. Nicht wahr, Jean?«
    Jean sagte, das erinnere sie daran, daß sie was im Backofen habe, und entschuldigte sich. Mir machte es nichts aus; ich hatte ihr immer gesagt, daß alles dies meine Idee sei und daß ich mich um alles kümmern würde, was immer geschehe. Aber ich wußte, daß sie draußen in der Küche stand und das Ohr an der Tür hatte.
    »Nun, deswegen bin ich natürlich nicht gekommen, Mr. McNally. Dies ist bloß, was man einen freundschaftlichen kleinen Besuch nennen könnte, in einer Weise.«
    Das gefiel mir. »Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Morton. Sie müssen in diesem Haus gegenüber vom Lebensmittelgeschäft wohnen.«
    Ja, das tat er. »Ich sage, ein ›freundschaftlicher Besuch‹, Mr. McNally, aber er hat einen dienstlichen Hintergrund. Wie ich Ihnen sagte, bin ich vom Finanzamt.«
    Sofort sprang mein Herz wieder hinauf in die Kehle. »Finanzamt. Ja, ich verstehe.«
    »Sehen Sie, Mr. McNally, der kleine Frankie hat soviel Spaß daran gehabt, mit Ihren Kindern zu spielen, daß ich dachte, ich sollte Ihnen ein wenig Ärger ersparen. Und da ich gleich um die Ecke wohne, möchte ich ein guter Nachbar sein.«
    Ich kam nicht dahinter, worauf er hinauswollte. Ich konnte nur höflich sein und ihn bitten, weiterzusprechen. Und das tat er.
    »Über meinen Schreibtisch gehen viele Akten und Papiere, wie sich denken läßt«, sagte er. »So stieß ich kürzlich auf einen Vorgang, dessen Name und Anschrift mir bekannt vorkamen. Ich sah genauer hin und erkannte, daß es sich um Sie handeln mußte. Sie sind der einzige McNally in dieser Gegend, also beschloß ich, auf dem Heimweg von der Arbeit vorbeizukommen und Ihnen einen Tip zu geben.«
    Was für einen Tip?
    »Nun«, sagte er, »jemand, der Ihre Akte bearbeitet, schickte Ihnen einen Brief mit dem Ersuchen, ins Amt zu kommen und einige Fragen im Zusammenhang mit Ihrer Steuerveranlagung zu besprechen. Anscheinend ignorierten Sie den Brief.«
    Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, und besann mich eines Besseren.
    »Mr. McNally«, fuhr Morton eilig fort, »ich weiß, daß Sie im Sommer die meiste Zeit abwesend waren, und ich weiß auch, daß bei der Post Dinge verlorengehen. Es muß wohl so sein, daß die Aufforderung nicht in Ihre Hände gelangt ist. Ich möchte Ihnen den guten Rat geben, persönlich im Finanzamt zu erscheinen und dem Sachbearbeiter zu erklären, was geschehen sein muß. Es würde Ihnen auf lange Sicht Schwierigkeiten und Ärger ersparen. Sagen Sie einfach, ich sei zu einem nachbarschaftlichen Besuch vorbeigekommen, und so hätten Sie von der Sache erfahren.«
    Er hatte noch mehr darüber zu sagen, aber ich denke, im Grunde lief es darauf hinaus, daß er den für meine Akte zuständigen Mann nicht mochte und mich warnen wollte, meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, bevor dieser Jemand mir die Luft abdrückte.
    Wir sprachen noch ein bißchen über seinen Jungen und meine Kinder und die Dinge, über die Leute so reden, wenn sie einander zum ersten Mal begegnen, und er ging mit einem entschuldigenden Lächeln. Wahrscheinlich fühlte er sich schuldig, weil er sich in Angelegenheiten eingemischt hatte, die ihn nichts angingen. Ich gab mir Mühe, die Atmosphäre aufzulockern, und kurz bevor er ging, kam Jean mit einem Teller voll Gebäck für Mrs. Morton aus der Küche.
    Wir sahen ihn den gebogenen Plattenweg hinuntergehen, der mich sechshundert Duplikatdollars gekostet hatte; wir sahen ihn munter die Straße entlang zu seinem Haus gehen. Ich fragte Jean, ob sie eine Zigarette wolle. Sie schüttelte ihren Kopf.
    »Nein. Nicht jetzt.« Sie sank auf den nächsten Stuhl. »Was soll jetzt aus uns werden?«
    Ich sagte ihr, daß ich es nicht wisse. Aber ich würde die Sache schon schaukeln.
    Sie stieß dieses kurze, sarkastische Lachen aus, das sie für besondere Gelegenheiten aufspart. »Ja, du wirst es schaukeln. Wie du schon viele andere Dinge geschaukelt hast. Ich wußte, daß du früher oder später in Schwierigkeiten kommen würdest.« Ich wußte nicht, ob ich wütend werden oder mitfühlend sein sollte. Ich glaube, wenn eine Frau weint, hilft keines von beiden. Nachdem ich ein paar Worte gesagt hatte, erkannte ich, daß mit Reden nichts auszurichten war, also ging ich 'raus, setzte mich in den Wagen und fuhr spazieren. Ich landete kartenspielenderweise bei Art, dreißig Kilometer entfernt, wo ich seit einiger Zeit nicht mehr gewesen war. Art freute sich so über meinen

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