Das Phantom der Schule
in das Zimmer nebenan. Die Tür stand offen, und der Schreibtisch war leer.
„Wer auch immer hier haust, er wird mich nicht fressen, wenn ich sein Telefon benütze“, dachte sie und nahm den Hörer.
Aus dem Nachbarbüro drang die Stimme der Lokalreporterin. Sie sprach nicht sehr laut, doch die Wände waren äußerst dünn. So konnte Poppi jedes Wort verstehen.
„... Es wurde mir dieses Paket übergeben. Auf die genaueren Umstände will ich nicht eingehen“, sprudelte Frau Stocker hervor. „In der Schachtel finden Sie eine Flasche. Die Flüssigkeit, die sie enthält, soll folgende Eigenschaft haben ...“ Pause. Nun war nichts mehr zu hören. Entweder flüsterte sie jetzt, oder sie hatte Herrn Monowitsch etwas zu lesen gegeben.
„Damit soll man Denkmäler zersetzen können?“ hörte Poppi ihren Vater erstaunt rufen. Ein lautes Zischen der Reporterin brachte ihn zum Schweigen.
„Ja ... so ist es“, erklärte sie hastig. „Diese Substanz verbindet sich angeblich mit dem ... dem ... Schmutz der Tauben — Sie wissen, was ich meine. In dieser Verbindung vermag die Flüssigkeit alle Kunstschätze Wiens zu Sand zu zerkleinern. Ganz egal, ob das Denkmal aus Stein oder Metall ist. Die genaueren Umstände darf ich Ihnen noch nicht sagen. Nur soviel: Falls diese Flüssigkeit das wirklich vermag, bedeutet das eine Katastrophe für Wien. Eine Katastrophe, die nur durch viele Millionen abgewendet werden kann. Ein Stichwort: Erpressung!“
Poppi ließ ganz langsam den Hörer wieder sinken. Von dieser Unterhaltung durfte ihr kein Wort entgehen.
„Ich soll die Substanz also auf ihre Wirkung untersuchen?“ fragte Herr Monowitsch.
„So ist es! Und außerdem sollen Sie . . .“
Was der Professor sonst noch sollte, hörte das Mädchen nicht mehr. Laut pfeifend war ein eleganter, älterer Herr im Zimmer aufgetaucht.
„Ei der Daus“, rief er überrascht, „bist du meine neue Sekretärin?“
„B ... b ... bin ich nicht“, stammelte Poppi verlegen. Es drückte sie das schlechte Gewissen. Ob der Mann mitbekommen hatte, daß sie lauschte?
„Was verschafft mir dann das Vergnügen?“ erkundigte sich der Herr mit der makellosen, grauen Frisur und der Goldrand-Brille.
„Ich wollte telefonieren“, antwortete Poppi wahrheitsgemäß.
„Dann tu’s! Das Telefon beißt nicht“, forderte sie der Mann schmunzelnd auf.
Während das Mädchen Dominiks Nummer wählte, überlegte es fieberhaft, woher es das Gesicht kannte. Wer war der Herr?
„Kascha!“ meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Immer dabei!“ rief Poppi in diesem Moment.
„Bitte?“ fragte Frau Kascha erstaunt. Poppi meldete sich nun mit ihrem richtigen Namen und klärte das Durcheinander auf. Sie hatte nur gerade herausgefunden, in wessen Büro sie hier saß.
Es war das Zimmer von Peter Offenherz, dem KlatschReporter. Bei allen Festen und Parties war er dabei. Schon am nächsten Tag konnte man dann in seiner Rubrik „Immer dabei“ lesen, welchen Kaviar es zu essen gegeben hatte, und wie viele Liter Champagner geflossen waren.
Über seinen Artikeln prangte ein großes Foto seines Kopfes. Deshalb war der Herr Poppi auch so bekannt vorgekommen.
Im Telegrammstil erklärte das Mädchen Frau Kascha den Grund ihrer Verspätung. Als es auflegte, erschien Herr Monowitsch in der Tür. Unter dem Arm hielt er eine Pappschachtel.
„So, fertig, wir können gehen“, verkündete er. Poppi merkte sofort, daß er beunruhigt und aufgeregt war. Er versuchte es mit ein bißchen Fröhlichkeit zu überspielen, aber es gelang ihm nicht gut.
„Also dann ... vielleicht sehen wir uns bald wieder?“ rief Herr Offenherz Poppi zur Verabschiedung zu.
Er sollte recht behalten ...
Ein neuer Fall?
„Also, sehr schnell dreht sich das Ding aber nicht!“ stellte Axel ein wenig enttäuscht fest.
„Mein lieber Junge, du befindest dich auch nicht in einer Wäscheschleuder, sondern in einem sich drehenden Restaurant!“ lachte Herr Kascha.
Auf Einladung von Dominiks Eltern war die Knik-kerbocker-Bande nach Wien gekommen, um hier gemeinsam die letzte Woche der Sommerferien zu verbringen. Zur Feier des Wiedersehens waren die vier Kinder von den Kaschas auf den Donauturm eingeladen worden.
Er war der höchste Turm der Stadt und besaß überdies ein rundes Restaurant, das sich drehte. Von dort oben hatte man einen prächtigen Ausblick über die ganze Stadt.
Dominiks Vater zeigte den Kindern den spitzen Turm der Stephanskirche und die dreieckigen
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