Das Phantom im Netz
Sicherheitsalarm des Internetgateways ausgelöst. Indem ich über das AViiON auf den VMS-Cluster zugriff, würde es bei jedem falschen Passwort so aussehen, als sei es ein interner Zugriffsversuch gewesen. Damit käme der Sicherheitsalarm augenscheinlich nicht vom Internetgateway, was sofort auf mich als Täter hingedeutet hätte, da ich vorher der Einzige mit Zugang zu dem System gewesen war.
Nach dem Einloggen in das VMS-System mountete ich per Remote die Festplatte meiner alten Workstation. So bekam ich Zugriff auf meine Dateien und konnte alle potenziellen Beweise sicher löschen.
Bei der Durchsuchung von Elaines E-Mails nach meinem Namen fand ich heraus, dass die Kanzlei an einer Verteidigungsstrategie bastelte, falls ich sie wegen widerrechtlicher Kündigung verklagte. Die Klage wäre berechtigt gewesen, aber ich konnte es aus offensichtlichen Gründen nicht riskieren. Liz war gebeten worden, alle Beobachtungen, welche die Behauptung stützen, ich habe während der Arbeitszeit außerbetriebliche Beratungen durchgeführt, schriftlich festzuhalten. In ihrer Antwort stand:
Was Erics außerbetriebliche Beratungen angeht, weiß ich nichts Genaues … Er war immer sehr beschäftigt, aber ich habe keine Ahnung, womit. Er telefonierte viel mit seinem Handy und arbeitete viel am PC.
Das war alles, was die Geschäftsleitung als Rechtfertigung für meine Entlassung in Erfahrung bringen konnte. Aber es war ein toller Fund, weil das hieß, dass meine früheren Chefs von der Wahrheit nichts ahnten.
In den folgenden Monaten kontrollierte ich immer wieder die E-Mails der Kanzlei, um sicherzugehen, dass in Zusammenhang mit meinem Namen nichts mehr auftauchte. Und es kam auch nichts Wichtiges mehr.
Um meinen Status als Exkollegen-Kumpel aufrechtzuerhalten, blieb ich mit Ginger in Kontakt, indem ich sie gelegentlich anrief und mir den neuesten Firmentratsch erzählen ließ. Als ich ihr sagte, dass ich mich wohl arbeitslos melden musste, erzählte sie mir, dass die Kanzlei fürchtete, ich würde sie wegen widerrechtlicher Kündigung verklagen.
Anscheinend führte die Kanzlei seit meiner Entlassung Nachforschungen über mich durch, um nach einer Rechtfertigung für die Kündigung zu suchen. Es hatte keinen Grund für mich gegeben, den Anrufannahmedienst in Las Vegas für die angeblichen Green Valley Systems weiter zu bezahlen. Als die Kanzlei sich meine Beschäftigung dort noch einmal bestätigen lassen wollte, fanden sie heraus, dass die Firma gar nicht existierte. Daraufhin bohrten sie etwas genauer nach.
Als ich Ginger das nächste Mal anrief, dachte sie, sie lasse eine Bombe platzen: »Die Kanzlei hat ein paar Nachforschungen angestellt. Und Eric … du existierst nicht!«
Das war‘s dann wohl mit meinem zweiten Leben als Eric Weiss.
Da ich nichts mehr zu verlieren hatte, erzählte ich Ginger, ich sei Privatdetektiv und habe den Auftrag, Beweise gegen die Kanzlei zu sammeln: »Ich darf nicht darüber sprechen.«
Ich fügte hinzu: »Ich kann dir nur sagen, dass alles verwanzt ist. In Elaines Büro sind Abhörgeräte und auch unter dem Doppelboden in der IT-Abteilung.« Ich ging davon aus, dass sie mit den Neuigkeiten sofort in Elaines Büro gehen, nein, rennen würde. Ich hoffte, diese Desinformationstaktik würde ein zweifelhaftes Licht auf alles werfen, das ich Ginger in der Vergangenheit erzählt hatte, damit sie nicht mehr wussten, was sie glauben sollten.
Ich sah täglich auf De Paynes Netcom-Konto nach, ob er eine Nachricht für mich hinterlassen hatte. Wir sicherten unsere Kommunikation mithilfe eines Programms namens »PGP« (»Pretty Good Privacy«) ab.
Eines Tages fand ich eine Nachricht vor, die entschlüsselt bedeutete: »LITTMAN HATTE BESUCH VON 2 FBI-AGENTEN!!!« Das erschreckte mich, denn ich hatte einige Zeit am Telefon mit Littman verbracht, der gerade an einem Artikel über mich für den Playboy schrieb. (Zumindest hatte er mir das anfangs erzählt. Irgendwann hat er dann einen Vertrag für ein ganzes Buch über mich ergattert, ohne mir etwas darüber zu sagen. Ich hatte kein Problem damit gehabt, mich für einen Playboy -Artikel mit ihm zu unterhalten. Aber Littman hat mir bis zu meiner Verhaftung in Raleigh nicht verraten, dass er ein Buch über mein Leben schrieb. Ich hatte früher schon einen Kooperation für ein Buch mit John Markoff und seiner Frau, Katie Hafner, abgelehnt, und ich hätte niemals eingewilligt, mit Littman zu reden, wenn er mir gesagt hätte, dass er ein Buch über mein Leben
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