Das Phantom im Netz
schrieb.)
Ich mochte Denver sehr. Meine neue, dauerhafte Identität als Brian Merrill war einsatzbereit, und eine Zeit lang spielte ich mit dem Gedanken, mir alles neu einzurichten – Job, Wohnung, Möbelvermietung, Mietwagen – und in Denver Wurzeln zu schlagen. Ich wäre sehr gern geblieben. Ich überlegte, einfach auf die andere Seite der Stadt zu ziehen und mit einer neuen Identität ganz neu anzufangen.
Aber dann stellte ich mir vor, ich säße in einem Restaurant mit einer neuen Kollegin, einem Date oder irgendwann einmal mit meiner Frau, und jemand käme freudig lächelnd an unseren Tisch, reichte mir die Hand und sagte: »Hallo, Eric!« Beim ersten Mal könnte ich noch behaupten, es sei eine Verwechslung gewesen. Aber wenn es mehr als einmal passierte …
Nein, das Risiko wollte ich nicht eingehen.
Einige Tage später – meine Kleider und alles, was ich besaß, waren immer noch im Umzugswagen – verließ ich Denver in Richtung Südwesten, Richtung Las Vegas. Ich wollte meine Mutter und meine Oma besuchen und meine nächsten Schritte planen.
Wieder in die Budget Harbor Suites einzuchecken, war wie ein Déjà-vu. Und genauso ging es mir, als ich dort in meinem Zimmer saß und mich in die Recherche darüber stürzte, in welcher Stadt ich in Zukunft leben wollte.
Ich war immer auf der Hut. Ich vergaß keinen Moment lang, wie gefährlich es in Las Vegas für mich war. Im Gefängnis kam es mir vor, als wären alle, die nicht von ihrer Freundin oder Frau verpfiffen worden waren, erwischt worden, als sie ihre Frau, Mutter, Verwandten oder Freunde besucht hatten. Aber ich brachte es einfach nicht fertig, in der Stadt zu sein und keine Zeit mit meiner Mutter und meiner Oma zu verbringen. Sie waren der einzige Grund, weswegen ich nach Las Vegas kam, trotz der allgegenwärtigen Gefahr.
Ich setzte mein übliches Frühwarnsystem in Betrieb, ein leicht modifiziertes Funkgerät, mit dem man auf allen Frequenzen senden und empfangen konnte, die von den verschiedenen Bundesbehörden benutzt wurden.
Ich fand es verdammt ärgerlich, dass der Funkverkehr der Agenten komplett verschlüsselt war. Ich wusste zwar, wenn ein Agent in der Nähe war, aber ich hatte keine Ahnung, ob die Funkgespräche mich betrafen. Ich rief bei der örtlichen Motorola-Vertretung an, behauptete, ein FBI-Agent zu sein, und versuchte so an einen Hinweis zu kommen, wie ich den Verschlüsselungscode ergattern konnte. Es nützte nichts. Der Motorola-Mitarbeiter sagte, am Telefon könne er nichts für mich tun. »Aber wenn Sie mit ihrem Key Loader vorbeikommen …«
Ja, genau. Ich würde einfach in den Laden reinlaufen, sagen, ich sei vom FBI, und … dann was? »Ich habe meine Marke zu Hause vergessen.« Nicht wirklich.
Aber wie konnte ich die Verschlüsselung des FBI knacken? Nach einigem Grübeln hatte ich einen Plan B.
Um den Agenten eine Kommunikation über größere Entfernungen zu ermöglichen, hatte die Regierung an höher gelegenen Punkten Relais für die Signale installiert. Die Funkgeräte der Agenten sendeten auf einer anderen Frequenz, als sie empfingen. Die Relais hatten eine Empfängerfrequenz, auf der die Signale der Agenten ankamen, und eine Sendefrequenz, die die Agenten abhörten. Wollte ich wissen, ob ein Agent in der Nähe war, konnte ich das an der Signalstärke auf der Empfängerfrequenz des Relais ablesen.
Das ermöglichte mir einen kleinen Trick. Wenn ich hörte, dass eine Kommunikation über Funk im Gange war, hielt ich meine Sprechtaste gedrückt. Damit sendete ich ein Funksignal auf der exakt selben Frequenz und störte das andere Signal.
Damit konnten sich die Agenten gegenseitig nicht mehr verstehen. Nach zwei, drei weiteren Versuchen würden sie es aufgeben. Ich konnte sie fast hören: »Irgendwas stimmt nicht mit dem Funkgerät. Lass uns Klartext sprechen.«
Sie legten einen Schalter an ihren Funkgeräten um, schalteten so die Verschlüsselung ab, und ich konnte beide Seiten der Unterhaltung mithören! Ich muss heute noch grinsen bei dem Gedanken daran, wie einfach sich die Verschlüsselung umgehen ließ, ohne den Code zu knacken.
Hätte ich jemals den Namen »Mitnick« über Funk gehört oder dass ich das Ziel einer Überwachungsaktion war, hätte ich mich sofort aus dem Staub gemacht. Aber das ist nie passiert.
Ich habe mich dieses kleinen Tricks bei jedem Aufenthalt in Las Vegas bedient. Wie man sich vorstellen kann, fühlte ich mich dadurch wesentlich wohler. Und das FBI hat es nie herausbekommen.
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